Himmelfahrt und Pfingsten

In diesem Monat werden zwei christliche Feste gefeiert, Himmelfahrt oder Auffahrt und Pfingsten, bevor die festlose Zeit des Kirchenjahres beginnt, welche mit dem Toten- oder Ewigkeitssonntag im November abgeschlossen wird. Mit dem Ersten Advent nimmt das nächste Kirchenjahr seinen Anfang. Auffahrt und Pfingsten gehören zu den weniger bekannten Feiertagen, weshalb sich eine nähere Betrachtung lohnt.

Die Ursprünge
Schon im Alten Testament taucht die Vorstellung einer Himmelfahrt auf: Nach 1. Mose 5,24 wird der sterbende Henoch in den Himmel versetzt, und in 2. Könige 2, 11 fährt Elia im Sturm auf einem von Feuerrossen gezogenen feurigen Wagen zum Himmel. Pfingsten (auch "Erstlingsfest", "Wochenfest" und "Fest der Schnitternte") ist ein kanaanäisches Fest, das die Israeliten bei ihrer Sesshaftwerdung im Lande Kanaan von der ansässigen Bevölkerung übernahmen. An diesem Fest wurden die Erstlinge der Feldfrüchte dargebracht; anders gesagt: Es fand die erste Ernte statt, ein Ereignis, welches auch kultisch gefeiert wurde. Da dieses Ritual sieben Wochen nach Beginn des Passahfestes begangen wurde, bekam es später den griechischen Namen "Pentekoste" (= der fünfzigste Tag), woraus das Wort "Pfingsten" entstanden ist. Israel veränderte allerdings den Sinn, in dem das Gedenken an den Bundesschluss zwischen Jahwe und den Volk am Sinai in den Vordergrund rückte und Pfingsten somit zum Bundesfest wurde.

Himmelfahrt
Über den Weg des gekreuzigten Jesus von Nazareth zum auferstandenen Jesus Christus bis zu seiner Erhöhung in den Himmel gab es in der Urchristenheit verschiedene Auffassungen. Die älteste Überlieferung machte keinen Unterschied zwischen der Auferstehung Christi und seiner Erhöhung. Beides wurde als gleichzeitiges Geschehen angenommen. So waren Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten ursprünglich auch nicht voneinander getrennte Feste, sondern die ganze Pentekoste - die 50 Tage zwischen Ostern und Pfingsten - wurde als eine grosse Heilsveranstaltung gefeiert.

Später setzte sich die Vorstellung durch, die Lukas am Schluss seines Evangeliums und der Apostelgeschichte erzählt: Der auferstandene Christus erscheint seinen Jüngern während der symbolischen Zahl von 40 Tagen und gebietet ihnen, in Jerusalem zu bleiben, damit er sie mit "Kraft aus der Höhe" salben (Lk 24,49) und mit heiligem Geist taufen könne (Apg 1, 2.5.8), auf dass sie seine, Christi, Zeugen, würden bis ans Ende der Erde. Anschliessend wird er vor den Augen der Jünger auf einer Wolke in den Himmel emporgehoben (Apg 1,9). Darauf geht unsere Auffahrt oder Himmelfahrt zurück.

Pfingsten
10 Tage später, am Tage des jüdischen Pfingstfestes, erlebten nach Lukas die in Jerusalem versammelten Jünger und Apostel jene merkwürdigen Vorgänge: Das gewaltige Brausen vom Himmel her ähnlich einem Wind, die Zungen "wie von Feuer", die sich zerteilten und auf jeden von ihnen setzten und die Erfüllung mit heiligem Geist, die sie zur Glossolalie, zum Reden in anderen Sprachen, befähigte. Den herbeiströmenden Juden aus aller Welt waren die vielen verschiedenen Sprachen der geisterfüllten Jünger erstaunlicherweise verständlich: Lobpreisungen der grossen Taten Gottes (Apg 2, 1-13).

In seiner grossen Pfingstpredigt weist Petrus nach, dass alte Verheissungen Gottes aus dem Joelbuch (Joel 3,1-5) betreffend eine Geistausgiessung "über alles Fleisch" (Apg 2, 17f) durch den gekreuzigten, auferweckten und zur Rechten Gottes erhöhten Jesus in Erfüllung gegangen seien. Dieser habe den heiligen Geist von Gott in Empfang genommen und über die Menschen ausgegossen (Apg 2,22-24.29-32). Am Schluss zeigt Petrus seinen Zuhörern, welches der Weg zur Erlangung des heiligen Geistes ist: Busse und Taufe auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden. Nach Lukas liessen sich daraufhin allein an jenem Pfingsttag rund 3000 Personen taufen (Apg 2, 38-41).

Geburtsstunde der Kirche
In Apostelgeschichte 2,42-47 wird berichtet, wie die Apostel und die zum Glauben gekommenen und durch die Taufe zu ihnen gestossenen Gemeindeglieder in einmütiger Gemeinschaft zusammen lebten, ihr Hab und Gut verkauften, den Erlös teilten, gemeinsam im Tempel waren, zusammen das Brot brachen und die Gemeinde kräftig wuchs.

Aufgrund dieses Berichts über den „christlichen Liebeskommunismus“, wie der Bibelabschnitt in der Theologie genannt wird, gilt Pfingsten als Geburtsstunde, d.h. als Anfang der Kirche.

Pfingsten heute
Heutige Bibelleser tun sich schwer mit diesen Berichten. Pfingsten ist wohl nicht zufälligerweise unter den grossen kirchlichen Feiertagen der Unbekannteste. Deshalb haben sich bei uns auch kaum Bräuche herausgebildet, ganz im Gegensatz zu Weihnachten und Ostern.

Die Landeskirchen pflegen dem heiligen Geist gegenüber eine gewisse Zurückhaltung: Über den heiligen Geist wird selten gepredigt. Im Religionsunterricht wird er häufig übergangen. Im Gottesdienst wird er oft bloss im Kanzelgruss, in der Taufformel oder in einem Gebet erwähnt. Die Theologie ist an dieser Haltung mitbeteiligt.

Mit der schwer verständlichen Lehre von der Dreieinigkeit, nach der sich die göttliche Substanz in den drei Seinsweisen Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart, hat sie kaum zu einer Vereinfachung beigetragen. Ganz anders ist das Verständnis in den pfingstlichen Freikirchen und charismatischen Gruppen, in welchen dem heiligen Geist eine zentrale Wirkung zukommt und er als Grundkraft für den Glauben und das Engagement des einzelnen Mitgliedes und der ganzen Gemeinde erfahren wird.

Die in den Landeskirchen vorhandene Skepsis gegenüber einem allzu enthusiastischen Geistverständnis ist berechtigt. Zu oft in der Kirchengeschichte verursachten unterschiedliche Geistverständnisse Auseinandersetzungen und Zerwürfnisse. Deshalb stehen in den Landeskirchen Predigt und Unterweisung vor dem Geistempfang und nicht umgekehrt. Der Geistempfang und die von ihm bewirkten Charismen, wie z.B. Heilung und Wunder, gelten als Bestätigung der rechten Lehre und des richtigen Glaubens und nicht als deren Voraussetzung. Gottes Kraft in uns Menschen, das heisst heiliger Geist. Ein Geist allerdings, der sich weder herbeireden noch -zaubern lässt, sondern um den gebetet werden darf und muss. Wenn Gott ihn dann und dort, wie er will, wehen lässt, können wir ihn auch heute erfahren, etwa

  • wenn es der Landeskirche und den Kirchgemeinden gelingt, die sinkenden finanziellen und personellen Ressourcen gerecht und sinnvoll zu verteilen,
  • wenn die Kirchen trotz mancherlei Anfechtungen ihren Dienst treu verrichten
  • wenn an Pfingsten unzählige Menschen trotz aller Gegensätze miteinander Gottesdienst feiern!

Pfarrer Dr. theol. Andreas Zeller, Präsident des Synodalrates


Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn

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