ENSEMBLE Nr. / N° 18 - Mai 2017

15 ENSEMBLE 2017/18 —– Dossier Interview mit David Polnauer, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Bern. Interview von Adrian Hauser Welche Reformströmungen gibt es zurzeit in Ihrer Religion? In der jüdischen wie auch in der christlichen Welt ist der Begriff «Reform» (Reformiert) schon lange besetzt. Die Reformbewegung hatte bei uns ihren Anfang etwa um 1810 und seitdem ist sie eine gut etablierte Gemeinschaft geworden. Es gibt jedoch immer wieder Neuerungen, die auch immer wieder auf Widerstand stiessen. So bei- spielsweise die Modern-Orthodoxie oder der Neo- Chassidismus von Zahlman Schachter-Shalomi und Schlomo Carlebach. Diese findet man unter dem Titel «Jewish Renewal». Worum geht es bei diesen Reformen? Bei der ersten geht es um die Rolle der Frau als orthodoxe Rabbinerin. Bei den anderen geht es um Mystik, Meditation und Gleichstellung von Mann und Frau in der Religion. Was in Ihrer Religion ist nicht reformierbar? Es ist alles reformierbar. Nur hat es keine bin­ dende Kraft für die Gesamtheit des Judentums. Unsere Religion ist nicht wie die katholische Kir- che ein zentralisiertes Organ. Wie geht Ihre Religionsgemeinschaft mit innerer Vielfalt um? Unsere Religionsgemeinschaft, die Jüdische Gemeinde Bern, ist eine Einheitsgemeinde, das heisst, sie steht Juden und Jüdinnen aller Glau- bensstufen und Glaubensrichtungen offen. Die Akzeptanz ist demnach grossgeschrieben. Sie ist eine Grundlage unserer Gemeinschaft. Wann kommt es in Ihrer Religion zu Konflikten? Immer. Aber unser Ziel ist, dass die messiani- sche Zeit erreicht wird, das einheitliche Denken der Religionsgemeinschaft. Zu einem Religions- krieg kommt es bei uns jedoch sicher nicht. Wie gehen Sie persönlich mit der Vielfalt in Ihrer Religion um? Wir lieben Vielfalt und unterstützen Vielfalt und versuchen unsere persönlichen Meinungen niemandem aufzuzwingen. Mit Freundlichkeit R E F O R M E N I M J U D E N T U M «Akzeptanz ist grossgeschrieben» und Liebe wollen wir unsere Mitglieder der Thora näherbringen. Welche Entwicklungen wünschen Sie Ihrer Reli­ gion für die Zukunft? Ich bin als Religionsoberhaupt und Lehrer pragmatisch. Denn als Grundlage der Religion will ich nur eines: Frieden. Diese Überzeugung teilt auch mein Kollege Rabbiner Kohn. Doch das ver- langt von uns, vom Rabbinat der Jüdischen Ge- meinde Bern, sehr viel Geduld und Entgegenkom- men. Wir möchten die Zukunft gern mitgestalten. F L E S R É F O R M E S D A N S L E J U D A Ï S M E «L’acceptation avec un grand ‹A›» Interview de David Polnauer, rabbin de la com- munauté juive de Berne. Interview par Adrian Hauser Quels courants réformateurs existe-t-il actuelle- ment dans votre religion? Comme dans le monde chrétien, le terme de réforme (réformé) occupe le monde juif depuis longtemps. Le mouvement de réforme a débuté ©Stefan Maurer «Es ist alles reformierbar»: Rabbiner David Polnauer. «Tout est ré- formable», selon le rabbin David Polnauer.

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