ENSEMBLE Nr. / N° 18 - Mai 2017

19 ENSEMBLE 2017/18 —– Fokus Wenn von Flüchtlingen gesprochen wird, fällt meist auch das Wort Integration. Doch was bedeutet dieser Begriff überhaupt? Ein Erklärungsversuch anhand eines Gesprächs. Von Selina Stucki Hinter sieben Hügeln, zwanzig Busminuten von Schwarzenburg entfernt, liegt in einer Senke lie- bevoll eingebettet das Bauernhaus von Julia und Henri Läderach de Blaazer. Doch neben dem Kom- post vor dem Hof stehen nicht etwa die Besitzer des Hauses, nein: Ein junger Afghane in Werkstie- feln siebt voller Eifer die Erde. Der Mann heisst Farid D.*, ist Vater zweier kleiner Buben und floh vor rund zwei Jahren mit seiner damals schwan- geren Ehefrau Roya* und dem älteren Sohn in die Schweiz. Nun bereitet er die Erde auf für sein eigenes Frühbeet, das er Tage zuvor mit Henri ge- zimmert hat. Wir setzen uns in den sonnigen Garten, das afghanische Ehepaar trinkt Tee, die Schweizer Kaffee. « INTEGRATION IST AUCH EIN RISIKO » FLÜCHTLINGSSONNTAG «L’INTÉGRATION EST UN PROCESSUS LONG ET DÉLICAT » DIMANCHE DES RÉFUGIÉS Farid, Du nennst Julia «meine Mutter». Wieso das? Farid: Julia hilft uns extrem viel. Sie beantwor- tet uns alle Fragen, die wir zum Leben in der Schweiz haben. Roya: Ja, und wenn unsere Kinder krank sind, können wir sie anrufen und darum bitten, einen Termin beim Arzt zu vereinbaren. Farid: Julia ist eine strenge Mutter (lacht). Aber das ist in Afghanistan nicht anders – und wir sind froh um ihre klare Art. Julia (lacht ebenfalls): Ich bin nicht nur streng, ich bin eher konsequent. Ein Beispiel: Ihr klagt oft, dass ihr immer wieder krank seid, tragt aber mitten imWinter keine Socken. Da habe ich nicht immer Erbarmen mit euch. Ich sage dann halt auch, weshalb ihr krank werdet. Ich bin nicht dazu da, euch alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Und, tragt ihr mittlerweile Socken? Farid (lacht): Hier bei Julia schon. Kennengelernt haben sich Julia und die afgha- nische Familie vor rund einem Jahr. Damals stiess die Asylgruppe von der reformierten Kirchge* Name geändert ©Selina Stucki «Aus Freundschaft wurde Familie»: Afghanische Familie wird von Schweizern bei der Integration unterstützt. «L’amitié est devenue famille»: ou quand des Suisses aident une famille afghane à s’intégrer.

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