ENSEMBLE Nr. / N° 23 - November / Novembre 2017

13 ENSEMBLE 2017/23 —– Dossier machen keinen Unterschied mehr zwischen Katholiken und Protestanten und sind gegenüber allem, was den Stempel «religiös» trägt, kritisch eingestellt. Die christlichen Kirchen stehen vor einer schwierigen Aufgabe, in der Gesellschaft weiter gehört zu werden. Diese Aufgabe lösen wir am besten gemeinsam. Welche Entwicklungen sollte die Ökumene an­ gehen, sind Reformen nötig? Die Behandlung offener Fragen ist oft ab­ hängig von internationalen Akteuren, etwa vom Heiligen Stuhl in Rom in Bezug auf die Frage nach der eucharistischen Gastfreundschaft. Heute zeichnet sich die Ökumene wesentlich dadurch aus, dass sie sich gegenüber anderen Traditionen öffnen möchte und dass sie persönliche Kontakte «vor Ort» pflegt. Wenn ein örtlicher Pfarrer seinen methodistischen Kollegen näher kennt, wird er umso eher bereit sein, mit ihm etwas anzureissen. Gemeinsame Aktionen entstehen oft aus der persönlichen Einstellung heraus. 2013 war die Rede von einer Krise der Ökumene in der Schweiz. Als Gründe wurden das mangelnde Einvernehmen mit den Katholiken und fehlende gemeinsame Zielsetzungen angeführt. Wie sieht es heute, vier Jahre später, aus? Meiner Meinung nach kann man nicht von einer theologischen Krise sprechen, konnten doch viele theologische Divergenzen bereinigt werden. Was jetzt noch gelöst werden muss, ist zum einen der Zugang zur Eucharistie. Gerade die tief Gläu- bigen wünschen sich nichts sehnlicher als die Möglichkeit, dass sich alle Christen gemeinsam am Tisch Christi einfinden und gemeinsam das Abendmahl feiern können. Zum anderen hat sich das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung als vollwertige Kirche noch nicht überall durchge- setzt. Dieses Jahr feiert die Schweiz gleich zwei Jubiläen: 500 Jahre Reformation und den 600. Ge- burtstag von Nikolaus von der Flüe. Aus gege­ benem Anlass wurden zahlreiche ökumenische Feiern organisiert. Mein Eindruck war, dass sich der gemeinsame Wunsch, zusammen zu feiern und zu beten, stärker als je zuvor geäussert hat. Kleine Kirchen haben übrigens ein ausgeprägtes Interesse daran, mit den grösseren zusammenzu- arbeiten. Für sie ist es wichtig, dass sich Ökume- ne nicht nur auf den Dialog zwischen den Römisch-Katholischen und den Reformierten beschränkt. Gibt es Länder, die in Sachen Ökumene als eine Inspirationsquelle für die Schweiz dienen könn- ten? Und falls ja: inwiefern? Die Schweiz ist, was die Ökumene angeht, schon sehr fortgeschritten. Das hat auch damit zu tun, dass die Bevölkerung konfessionell sehr stark durchmischt ist. Das hat dazu geführt, dass man auf lokaler Ebene miteinander ins Gespräch gekommen und nach Lösungen gesucht hat. Es gibt Länder, die im Hinblick auf gemeinsam un- ternommene Aktivitäten «radikaler» sind. So ver- fügt zum Beispiel Schweden über einen Rat der christlichen Kirchen, eine Art Pendant zur AGCK, der das gesamte gesellschaftliche Engagement der Kirchen und insbesondere die Seelsorge or- ganisiert. Sei das in Gefängnissen, Spitälern oder Schulen. Dieses Beispiel könnte als Inspirations- quelle dienen, obwohl es nicht eins zu eins auf unsere Verhältnisse übertragen werden kann. In der Schweiz sind die meisten Kirchen kantonal und verfügen in Bezug auf Finanzen und Stellung über ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Das führt zu einem Ausmass an Komplexität, das es sonst nirgendwo gibt. In der Schweiz haben wir Führungspersönlichkeiten, die oberste Char- gen in der Kirche wahrnehmen und sich gleich- zeitig in der AGCK engagieren – und das ist sehr positiv! ©Christoph Knoch

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