ENSEMBLE Nr. / N° 23 - November / Novembre 2017

18 Fokus —– ENSEMBLE 2017/23 Laavanja Sinnadurai ist Juristin, Mediatorin, interkulturelle Dolmetscherin und Mitglied der eidgenössischen Migrationskommission. In ihrem Inputreferat am Jahrestreffen «Joint Future» sprach sie über Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund. Für sie sind die beruflichen Potenziale ebenso wichtig wie jene, die man privat in die Gesellschaft einbringen kann. Von Adrian Hauser Sie hatten bereits viele Medienauftritte, wie kam es dazu? Ich denke, das hat 2009 mit meiner Kandidatur für den Gemeinderat in Köniz angefangen. Es ha- ben sehr viele kandidiert, aber ich wurde als SP- Mitglied mit einem sehr guten Ergebnis gewählt. Nach zweieinhalb Jahren habe ich mein Amt jedoch aus Zeitgründen niedergelegt. Inwiefern fördern öffentliche Auftritte die Inte­ gration? Indem Transparenz geschaffen und gegen­ seitig Wissen vermittelt wird. Ich nehme eine Brückenfunktion zwischen zwei vollkommen ver- schiedenen Welten wahr und finde es wichtig, dass ein offener Dialog stattfindet. Zeigen sich denn Leute mit Migrationshintergrund zu wenig in der Öffentlichkeit? Die tamilische Diaspora in der Schweiz ist als geschlossene Gesellschaft bekannt. Ihre Mitglieder sind unter sich sehr gut vernetzt und so bleibt man halt oft untereinander. Man trifft Tamilinnen und Tamilen vor allem in der Arbeitswelt, aber sonst weiss man wenig über sie. Doch mit der zweiten Generation ist etwas aufgegangen. Durch das Beherrschen beider Sprachen können wir Brücken bauen. Was genau ist aufgegangen? Der Dialog ist aufgegangen und man lernt sich gegenseitig kennen. Sie haben in Ihrem Einstiegsreferat von sichtbarem und unsichtbarem Potenzial gesprochen. Was mei- nen Sie genau damit? Wenn die Rede von Migration und Potenzial ist, wird in der heutigen Gesellschaft der Fokus hauptsächlich auf den wirtschaftlichen Nutzen gelegt, was auch verständlich ist. Aber für das Be- stehen in einer globalisierten Welt müssen wir jetzt beginnen, nach anderen Potenzialen eines Menschen zu suchen und diese auch zu würdigen. Ich spreche dabei vor allem von kulturellen und gesellschaftlichen Potenzialen. Eine Person, die beispielsweise in der Pflege arbeitet, kann gleich- zeitig eine wunderbare Sängerin in einem Tempel sein und dort ihr Potenzial einbringen. Man sollte also auch auf die unsichtbaren Potenziale eines Menschen achten. Aber die sichtbaren sind doch wichtig für die Inte­ gration in der Arbeitswelt? Das ist so und das verstehe ich auch. Die Frage ist nur, wie man mit dem heutigen System in der Arbeitswelt Leute fördern kann. Sie kommen mit einem Diplom aus dem Ausland in die Schweiz, aber das wird nicht anerkannt, wodurch eine Wei- terbildung nötig ist. Doch wer bezahlt das? Zudem gibt es viele administrative Hürden. Wo klemmt es denn aufseiten der Migrantinnen und Migranten bei der Arbeitsintegration? «MENSCH» LAAVANJA SINNADURAI «HUMAINE» LAAVANJA SINNADURAI «Joint Future» ist das Netzwerk der Reformierten Kirchen Bern- Jura-Solothurn für Personen, die sich in Kirchgemeinden für Mi- grations- und Integrationsprojekte engagieren. «Joint Future» bedeutet übersetzt «gemeinsame Zukunft»; rund 60 Personen trafen sich im Kirchgemeindehaus Zollikofen Mitte September zum 9. Jahrestreffen. Nebst dem Inputreferat der Juristin Laavan- ja Sinnadurai und einem Forumtheater fanden verschiedene Workshops statt. Dies zu den Themen «niederschwellige Beschäf- tigungsangebote», «kreative Aktivitäten», «Tandems», «Geschlech- terrollen», «Kirchenasyl» und «interkulturelle Frauentreffs».

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