ENSEMBLE Nr. / N° 24 - Dezember / Décembre 2017
15 ENSEMBLE 2017/24 —– Dossier ihrem Halbbruder. Bis vor kurzem erweiterten die beiden Töchter von Marcel Ruchti alle 14 Tage am Wochenende die Familie. «Alle zusam- men war einfach zu viel, zu viel Unruhe, unmög liche Organisation.» Nun besuchen sie ihren Päppu in der Werkstatt-Woh- nung. Zu siebt treffen sie sich besuchsweise, unter- nehmen etwas zusam- men. Marcel Ruchti: «Un- ter anderem um diese Lösung zu finden, haben wir uns bei der Familien- beratungsstelle beraten lassen.» Zum weiteren Kreis der Patchworkfamilie gehören Ex-Partnerin und -Partner von Marcel Ruchti und Carol Sebel, also Mutter und Vater der vier fast gleichaltrigen Mädchen, sowie zum Teil getrennt lebende Gross- eltern. Die Journalistin staunt, sieht Vielfalt und Lebendigkeit! Carol Sebel denkt an Ostern und Weihnachten, an Geburts tage und Wochenenden, an die enge Wohnung. «Schwierigkeiten», sagt Marcel Ruchti, «haben zu tun mit der Tatsache, dass wir Eltern uns für einander entschieden haben, was nicht bedeutet, dass auch alle Beteiligten – vier Kinder mit je einem Elternteil – sich gegenseitig füreinander entscheiden müssen.» Momentaufnahme Es ist nicht selbstverständlich, dass Carol Sebel und Marcel Ruchti von Schwierigkeiten – und Lösungen – erzählen, diese Momentaufnahme zulassen. Sie tun es sorgfältig, differenziert. Carol Sebel dröselt das «anspruchsvolle Beziehungs geflecht» auf, das sie Tag für Tag gestalten möch- te, aber oft einfach aushalten muss. Regelungen mit den vier Töchtern etwa halten selten lang. Jede Änderung bringt alles durcheinander. Im Betrieb ist Marcel Ruchti fraglos zuständig, seine Einflussnahme und Verantwortung in der Familie sind dagegen nicht glasklar, «mich ein- bringen ist oft sehr schwierig». Gleichzeitig fühlt sich Carol Sebel oft als Alleinerziehende: Ihr Mann hält sich bei der Erziehung zurück – alle zwei Wochen verbringen die Töchter das Wochenende bei ihrem Vater. «Den Alltag in einer Patchwork- familie kann man sich vorher gar nicht vorstellen», wirft ihr Mann ein, «das ist nichts für Leute, die es friedlich und ruhig haben wollen.» Mit der Geburt des gemeinsamen Sohns Aurin habe sich die Konstellation «frappant verändert», sagt Carol Sebel. Der Säugling beanspruchte die Eltern lange so stark, «dass meine Töchter hintangestellt wurden». Annalena und Mona-Li sitzen schon länger nicht mehr am Tisch. Später, beim Fotoshooting mit Aurin, ist zu sehen, wie gut die drei Kinder sich mögen – was den Eltern mehr als ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Paarzeit Carol Sebel schätzt Gespräche, «besonders sach liche und fachlich fundierte Beratungsgespräche». Und sie würde es schön finden, «mich mit anderen Patchworkern auszutauschen, um vielleicht manchmal zu sehen, dass nicht nur wir mit dieser Situation sehr gefordert, manchmal überfordert sind». Zeit zu finden, «in diesen unsteten Struktu- ren unsere Paarbeziehung zu pflegen», ist für Carol eine grosse Herausforderung. «Wenn wir von unserer Beziehung etwas haben wollen, müssen wir uns aktiv für Paarzeit einsetzen», sagt Marcel. Sie haben erlebt, dass es funktioniert – und: «Ich habe keine Zweifel an unserer Beziehung», sagt Marcel, «auf unsere Paarbeziehung kann ich mich verlassen», sagt Carol. Plattform für «Patchworker und weitere Interessierte»: www.patchwork-familie.ch
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