ENSEMBLE Nr. / N° 24 - Dezember / Décembre 2017

8 Dossier —– ENSEMBLE 2017/24 Bevor sie sich kennenlernten, lebten sie in unterschiedlichen Kulturen, mit unterschied- lichen Sprachen und Nahrungsmitteln, auf zwei Kontinenten, «in zwei Welten». Heute sind Annette und Hugo Godinez-Schmid die Eltern von Joel und Elia und machen vieles «ein bisschen verkehrt», will heissen: anders als in ihren Ursprungsfamilien. Von Gerlind Martin Elia kann schnell rennen, auf Englisch bis zehn zählen, sein Velo hat sechs Gänge, und er isst ger- ne Guacamole, Tortillas, Frijoles und Fischstäbli. Elia ist «fast» sieben und ein Quicklebendiger, er geht in den Kindergarten und erzählt mit glän- zenden Augen Geschichten. Auch Joel rennt schnell, zählt auf Englisch bis 30, sein Velo hat 26 Gänge, und er isst gerne Pasta, Pizza, Lasagne und Fondue. Joel ist neun, geht in die dritte Klasse, ist ein Tüftler, spielt Schach und lernt Gitarrespie- len. Mit der Mutter spielen sie Uno, mit dem Vater biken und zeichnen sie; und ihr Stolz ist das Cargo- Velo: für Gemüse- und Bildertransporte, zum Ein- kaufen und Ausfahren samt Buben und James, dem Hund. Joel und Elia sprechen beide Dialekt und Spanisch. Bei null begonnen Annette und Hugo Godinez-Schmid sind ihre Eltern. Sie haben sich beim Tanzen in Antigua, Guatemala, kennengelernt. Hugo lebte damals als Kunstmaler und führte seine eigene Galerie, Annette war mit dem Rucksack durch Zentralame- rika gereist. Vor zwölf Jahren habe er in der Schweiz bei null angefangen, sagt Hugo Godinez. Seit gut fünf Jahren leben sie als Familie in Münsingen. Hier hat das Paar das Bilderrahmen- geschäft «Einrahmungen & Galerie Godinez» auf- gebaut. Das kreative Handwerk und der tägliche Betrieb sind die Domäne des Kunstmalers Hugo Godinez. Annette Godinez ist verantwortlich für Kommunikation, Buchhaltung, PR und den Shop. Ein kleines Nischengeschäft zu betreiben, sei «strenge Arbeit», sagen beide. Im Juni feierten sie das Geschäftsjubiläum zum 5-jährigen Bestehen mit ihrer Foto-, Text- und Ölbilderaus­ stellung «Destination Liebe – binationale Liebesgeschichten». «Es war ein grosser Erfolg», sagen sie mit sichtlicher Freude. Heute etabliert Hauptberuflich arbeitet Annet- te Godinez in Bern beim Schweizerischen Roten Kreuz im Bereich Marketing und Kom- munikation. Manchmal hätte sie sich mehr Zeit für die Kinder gewünscht, als diese noch klein waren, erzählt sie. Das ging aber nicht, da ihr Mann kein entsprechendes Einkommen verdienen konnte. Deshalb hät- ten sie ihr Familienleben «ein bisschen verkehrt» einrichten müssen: Sie ist fürs stabile Ein- kommen, er hauptsächlich für Familien- und Hausarbeit ver- antwortlich. Finanzprobleme plagen viele binationale Paare und Familien, das wissen die beiden. In finanziell schwieri- gen Zeiten hätten auch sie Aus- einandersetzungen gehabt. Während sie gestresst war und fürs Sparen, Vorsorgen und Ver- sichern plädierte, blieb ihr Mann gelassen und gab Geld lieber fürs Alltägliche aus als für Versicherungen. «In Guatemala leben wir von dem, was wir verdie- nen, heute, und nicht in ein paar Jahren», sagt er. Sie räumt ein: «Ich vertraue heute stärker auf das Leben.» Beide für vieles verantwortlich Hugo Godinez fällt offensichtlich kein Stein aus der Krone, wenn er putzt, kocht, einkauft, Kinder miterzieht. Hört man ihm zu, so ist das nicht nur kein Problem, sondern selbstverständlich. Oft «EIN BISSCHEN VERKEHRT » BINATIONALE FAMILIE

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