ENSEMBLE Nr. / N° 27 - April / Avril 2018

16 Dossier —– ENSEMBLE 2018/27 Mit dem Quereinsteigerstudium «ITHAKA» will die Berner Kirche für die absehbar vielen Pensionierungen von Pfarrpersonen gewapp- net sein. Tina Straubhaar, Lehrerin, Kirch- gemeindepräsidentin und Synodale, ist eine von 17 Studierenden, die mit dem verkürzten Theologiestudium ins Pfarramt wollen. Von Gerlind Martin «Brichst du auf gen Ithaka»: Tina Straubhaar schmunzelt über diese Gedichtzeile von Konstan­ tin Kavafis. Sie denkt an die Odyssee des Odysseus in der Region der Ionischen Inseln, zu denen Itha­ ka gehört. Demgegenüber bietet das «ITHA­ KA»-Studium bei hoher Intensität eine Abkürzung an: Die Studierenden erreichen ihr Ziel, das Pfarr­ amt, bereits nach vier statt – wie im regulären Theologiestudium – nach sechs Jahren. Zusammen mit 16 Studierenden im Alter zwischen Mitte 30 und 50 hat Tina Straubhaar im Sommer 2015 das Intensivstudium Theologie für Akademikerinnen und Akademiker mit Berufsziel Pfarramt an der Theologischen Fakultät der Uni Bern begonnen. Mit Hebräisch durch den Sommer Zu Beginn lernten die Studierenden, alle mit Stu­ dium und Beruf, Hebräisch im Klassenverband. Seither besuchen sie die Veranstaltungen zusam­ men mit den regulär Studierenden. Es brauchte Zeit, bis die Jungen die Älteren nicht mehr «als Bedrohung empfanden», erinnert sich Tina Straub­ haar. Die Älteren ihrerseits mussten sich wieder ans Leben als Studierende gewöhnen. «Ich habe in meinem Leben nie nur eine Sache gemacht», sagt die 40-Jährige. Tina Straubhaar arbeitet weiterhin als Oberstufenlehrerin für Latein und Spanisch an zwei Oberstufenschulen. Einzig ihre Mitwirkung als Geigerin in Formationen und Projekten hat sie eingeschränkt. Vielfältiger Praxisbezug Ihr Flair für Sprachen und ihr Erststudium in Spa­ nisch, Germanistik und Latein erleichtern Tina Straubhaar das Studium ebenso wie ihr Praxisbe­ zug. Von Kind an mit der Kirchgemeinde Heim­ berg verbunden, schätzt sie die Gemeinschaft, die Traditionen. Seit fünf Jahren ist sie Kirchgemeindepräsiden­ tin und im Rat die Jüngste, seit sie mit 25 als Kirch­ gemeinderätin gewählt wurde. Bereits mit zwan­ zig liebäugelte sie mit dem Theologiestudium, «ich hatte nicht den Mut dazu». Als die Synode der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn 2012 mit einer Motion die Entwicklung eines einma ­ ligen Quereinsteiger-Studiums überweist, unter­ stützt sie diese als Synodale. Tina Straubhaar er­ kennt, dass die Kirchgemeinden von den ab 2020 erwartet vielen Pensionierungen von Pfarrper­ sonen betroffen sein werden. Und sie spürt, wie ihre Faszination fürs Theologiestudium aufflammt. «Doch das Ganze kam für mich zu früh.» Als sie erfährt, dass sich nicht so viele Interessierte wie erwartet für ITHAKA bewerben, reicht sie ihre Unterlagen ein. Und bereut es nicht: «Das Studium gefällt mir ausgezeichnet!» Kirche wird nicht verschwinden Zuversichtlich schaut die Studentin in ihre Zukunft als angehende Pfarrerin. Nicht Kirchenaustritte, nachlassendes Engagement der Kirchenmitglieder und schwindende Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft schmälern ihre Zuversicht. «Vieles verändert sich schnell, das ist eine Herausforde­ rung für den Beruf und die Gesellschaft. Ich bin gespannt, wohin die Entwicklung führt.» Wegen ihrer vielen Tätigkeiten verlängert Tina Straubhaar ITHAKA um zwei Semester. Wie schrieb Konstantin Kavafis: «Immer halte Ithaka im Sinn. Dort anzukommen, ist dir vorbestimmt. Doch be­ eile nur nicht deine Reise. Besser ist, sie dauere viele Jahre (...) und hoffe nicht, dass Ithaka dir Reichtum gäbe. Ithaka gab dir die schöne Reise.» I T H A K A «Ich bin gespannt, wohin die Entwicklung führt» ©Adrian Hauser Tina Straubhaar

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=