ENSEMBLE Nr. / N° 27 - April / Avril 2018

8 Dossier —– ENSEMBLE 2018/27 immer mehr Frauen in diesem Beruf tätig sind, ebenfalls eine Rolle. Frauen verzichten wegen des Berufs nicht darauf, Mutter zu werden – auch sie streben eine Teilzeitarbeit an. Das Image hat an Glanz eingebüsst Für Matthias Zeindler ist es auch eine Imagefrage. Die Kirche spielt nicht mehr diese wichtige Rolle, die sie früher in unserer Gesellschaft innehatte. So wissen heute Gymnasiastinnen und Gymnasias­ ten gar nicht mehr, dass Theologie an der Uni­ versität gelehrt wird. Der Theologe ortet auch ein strukturelles Problem beim Studium: Die Bologna­ Reform hat eine gewisse Flexibilität mit sich ge­ bracht, indem das Fach ohne grössere Probleme gewechselt werden kann. In der Theologie ist das allerdings nicht möglich. Dann ist da noch das Profil des Pfarrberufs: Eine 2016 zuhanden der Kirchen durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass es zwar sehr wohl Gymnasiastinnen und Gymna­ siasten gibt, die den Beruf für sehr sozial und span­ nend halten, andere ihn aber als konservativ, alt­ modisch und langweilig einschätzen. Was kann unternommen werden, um diesen negativen Vor­ urteilen zu begegnen? Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn haben vor etwa 15 Jahren eine Werbekampagne für das Theologiestudium in Auf­ trag gegeben. Was sie letztlich gebracht hat, ist nach Meinung von Matthias Zeindler schwierig einzuschätzen. Der «Campus Kappel», der bislang viermal in der Nähe von Zürich organisiert wurde, liefert womöglich bessere Resultate. Die Theolo­ giewoche ist gratis und ist auf Jugendliche aus­ gerichtet. Sie ist ein attraktives Angebot, das Diskussionen mit bekannten Persönlichkeiten, Animationen und Sport beinhaltet. Von den 30 jungen Teilnehmenden sind viele begeistert und ein paar davon entscheiden sich später für ein Theologiestudium. Neuer universitärer Kurs Vor allem aber ist es der neue universitäre Kurs der Universität Bern, der den Pfarrberuf wieder attraktiver machen soll. Das Ausbildungsangebot wurde 2015 lanciert. Die ITHAKA-Ausbildung ist ein Intensivstudium von drei Jahren, das zu einem Masterabschluss führt. Sie richtet sich an Personen, die bereits über einen akademischen Abschluss verfügen, und kann bis zum 50. Alters­ jahr in Angriff genommen werden. Das Interesse für einen sozialen Beruf und für Fragen nach dem Sinn des Lebens wird manchmal erst spät geweckt. Das Studium wird allem von Personen im reiferen Alter gewählt, die aus den unterschiedlichsten Berufen stammen. Es wird nach vier Jahren mit einer Ordination abgeschlossen. Der Kurs ist recht erfolgreich: Im Kanton Bern wird er gegenwärtig von 17 Studierenden belegt. Spannend und anforderungsreich Was veranlasst jemanden heute dazu, ein Theo­ logiestudium in Angriff zu nehmen und ein Pfarramt anzutreten? War die hauptsächliche Motivation in den 80er- und 90er-Jahren noch der Wunsch, sich sozial zu engagieren, ist dieses politische Interesse heute weniger stark. An erster Stelle stehen heute religiöse Fragen und Fragen nach dem Sinn des Lebens. «Eine Pfarrper­ son ist an den schönsten und an den traurigsten Momenten des menschlichen Lebens be­ teiligt. Persönlich bin ich der Meinung, dass es einer der spannendsten Berufe über­ haupt ist», gibt sich Matthias Zeindler überzeugt. Der Beruf ist aber auch stressig und hat zu zahlreichen Burnouts ge­ führt. Während der Arbeits­ zeiten muss man fast ständig verfügbar und entsprechend flexibel sein. Zudem haben sich die Anforderungen verändert, man muss «unternehmerischer» sein als früher. Eine Pfarrerin oder ein Pfarrer muss neue Ideen haben, um auf die Veränderungen in der Gesell­ schaft reagieren zu können. Früher waren die Auf­ gaben klar umrissen: Predigt, Katechismus, Hoch­ zeiten, Beerdigungen. Welche Aufgaben ein Pfarrer in der Zukunft haben wird, kann man noch ©Keystone /Branko de Lang Was veranlasst jemand heute dazu, Theologie zu studieren? Qu’est-ce qui pousse à étudier la théologie de nos jours?

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