ENSEMBLE Nr. / N° 28 - Mai 2018

23 ENSEMBLE 2018/28 —– Fokus Fall ist komplex: Den traditionellen Gemeinschaf­ ten fehlen die Landtitel für das Land, das sie seit Generationen nachhaltig kollektiv nutzen. Die Menschen sind gesellschaftlich marginalisiert. Ihre Lebensweise, die Rücksicht nimmt auf das fragile Ökosystem des Cerrado, wird kaum an­ erkannt. Der Zugang zu Bildung und Gesundheits­ versorgung ist schlecht. Die Lebenserwartung beträgt als Folge davon nicht viel mehr als 50 Jahre. Gleichzeitig sind sich die traditionellen Gemeinschaften der potenziellen Folgen der kom­ merziellen Nutzung von Quellen und des Bergbaus sehr bewusst und wollen sich wehren. Hoffnung dank einem Label Die HEKS-Partnerorganisationen CODECEX und ASA helfen den Bewohnerinnen und Bewohnern der Serra do Espinhaço, sich zu wehren. CODECEX engagiert sich anwaltschaftlich und versucht, ge­ meinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinschaften Einsitz zu nehmen in Kommis­ sionen und Behörden, die Entscheide fällen über Zugang zu Land und Wasser. ASA unterstützt die traditionelle Lebensweise der Gemeinschaften und verweist auf ihre Vorteile gegenüber anderen Nutzungsformen. Eine grosse Hoffnung liegt der­ zeit in einem Label der FAO (Nahrungsmittel- und Landwirtschaftsorganisation der UNO), welches die Lebensweise der Blumenpflücker unter Schutz stellen will. Die Aussicht auf die Bezeichnung als «Global Important Agriculture System» interessiert nun auch die Behörden auf verschiedenen Ebenen, und es besteht die Chance, dass sich das Blatt zu­ gunsten der Blumenpflücker wendet. Mitte März fand in Brasilien das Weltwasser- forum statt, an dem auch Vertreterinnen der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn anwesend waren. Sie besuchten ein Projekt des HEKS, das sich für die Blumenpflücker an der Serra do Espinhaço einsetzt. Von Lisa Krebs* Ein Einsatzgebiet von HEKS befindet sich im Cerrado, einem semiariden Gebiet im Osten des Landes. Im Cerrado entspringen einige der gröss­ ten Flüsse Brasiliens und die Biodiversität über­ steigt diejenige des Amazonas. In der Gegend der Serra do Espinhaço im Bundesstaat Minas Gerais setzt sich HEKS mit seinen Partnerorganisationen CODECEX und ASA für traditionelle ländliche Ge­ meinschaften und deren Lebensweise ein. In der Serra do Espinhaço leben seit vielen Generationen solche Gemeinschaften, die ähnlich den Schweizer Bauern eine Form der Wanderweidewirtschaft be­ treiben. Von November bis März, dem Sommer­ halbjahr, bebauen sie Felder. Ab März ziehen sie mit ihren Familien und Tieren auf ein höher ge­ legenes Plateau in den Bergen, wo sie Trocken­ blumen und Medizinpflanzen sammeln. Ungefähr ein halbes Jahr leben sie dort in Höhlen und ein­ fachen Unterständen und kehren erst wieder im Oktober ins Tal. Viele Bedrohungen Diese Lebensweise der Subsistenzwirtschaft im Regenfeldbau und der Sammel- und Viehwirt­ schaft war für Generationen Quell des Lebens in der ökologisch fragilen Umgebung des Cerrado. Heute ist diese traditionelle Lebensweise bedroht. Einerseits hat die Regierung das Bergland, das für das Pflücken der Blumen und Medizinpflanzen sowie für die Weidewirtschaft kollektiv genutzt worden ist, als Kompensation für Umweltschäden von Firmen, ohne Rückspräche mit der Bevölke­ rung zu einer Schutzzone erklärt, die nicht mehr genutzt werden darf. Anderseits haben verschie­ dene Bergbauunternehmen sowie Trinkwasser­ konzerne angrenzend an die Schutzzone ihr Inte­ resse an Nutzungskonzessionen kundgetan. Die Menschen befürchten, dass ihnen das Wasser ab­ gegraben und verschmutzt wird. Doch dies ist nicht Bedrohung genug: Internationale Firmen zeigen Interesse am Saatgut der über 240 Arten von Trockenblumen und Medizinpflanzen, die von den traditionellen Gemeinschaften gesammelt werden, und es wird Biopiraterie befürchtet. Der B R A S I L I E N Die Blumenpflücker VertreterInnen der Blumenpflücker tragen ihre An­ liegen vor im Beisein von HEKS, CODECEX sowie einer Gruppe von internationalen Akteuren zum Thema Recht auf Wasser. Les représentants des cueilleurs de fleurs présentent leurs préoccupa- tions en présence de l’EPER, du CODECEX et d’un groupe d’acteurs internationaux sur le thème du droit à l’eau. ©Lisa Krebs

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