ENSEMBLE Nr. / N° 29 - Juni / Juin 2018

10 Dossier —– ENSEMBLE 2018/29 Christoph Neuhaus hat als abtretender Kirchendirektor die Erneuerung des Landes- kirchengesetzes begleitet. Im Gespräch erzählt er, wie er das erlebt hat und welches die Herausforderungen dabei waren. Interview von Adrian Hauser Herr Neuhaus, Sie haben als Kirchendirektor nun den ganzen Prozess um die Erneuerung des Lan- deskirchengesetzes begleitet. Wie nahmen Sie in dieser Zeit die Zusammenarbeit mit den Kirchen wahr? Das war eine spannende Zeit. Als ich vor rund zehn Jahren meine Arbeit als Kirchendirektor auf­ genommen habe, bin ich erschrocken darüber, dass wir im Kanton Bern keine Trennung von Kir­ che und Staat haben. Doch ich habe auch gemerkt, dass das System funktioniert und man daran mög­ lichst nichts verändern soll. Denn es gibt schon genug in der Politik, das nicht funktioniert. Im Rahmen des Sparpakets von 2014 sah ich, dass es die Kirche immer wieder trifft und der Stellen­ abbau alle zwei bis drei Jahre Verunsicherungen auslöst. Deshalb musste sich etwas ändern. Der Weg war am Anfang steinig. Vor etwa zwei Jahren breitete sich aber eine Aufbruchsstimmung aus. Ich bin überzeugt davon, dass die drei Landes­ kirchen heute froh sind, dass die Sache unter Dach und Fach ist. Und warum dachten Sie, dass man etwas verän- dern muss? Waren das rein finanzielle Gründe? Es war eine Mischung. Die Zeiten ändern sich, auch wenn wir uns nicht verändern, besagt ein Sprichwort. Eine Staats- oder Landeskirche ist eine relativ statische Angelegenheit. Zudem hatten die Geistlichen eigentlich vier Chefs: die Kirchge­ meinde, den Synodalrat, die Kirchendirektion und dann noch jenen ganz oben. Das sind zwei bis drei zu viel. Aufgabe, Verantwortung und Kompetenz sollten aus einer Hand kommen, und die Kirche muss für ihre Leute verantwortlich sein. Dann ging es letztendlich auch darum, Strukturen zu vereinfachen? Genau! Ein Auftrag des Staates ist es, dass er sich gegenüber den verschiedenen Kirchen reli­ gionsneutral verhält. Eine vollständige Trennung von Kirche und Staat kam für mich nicht in Frage, da die Zeit dafür nicht reif ist. Man muss schritt­ weise Reformen vornehmen, und es ging in die­ sem Prozess um Evolution, nicht um Revolution. Was waren die grundsätzlichen Schwierigkeiten in diesem Prozess? Dass alle Beteiligten in die gleiche Richtung gehen und im selben Boot sind. Denn gewisse Hal­ tungen gingen diametral auseinander. Die einen fanden das bisherige System super und wollten das ins nächste Jahrhundert oder mindestens Jahr­ zehnt retten. Andere wollten die sofortige und absolute Trennung von Kirche und Staat, wie zum Beispiel die Freidenker. Schlussendlich haben wir einen bernisch-eidgenössischen Kompromiss ge­ schmiedet. Wie brachten Sie denn die verschiedenen Vorstel- lungen zusammen? Ich habe mit den Leuten gesprochen und ihnen die Fakten aufgezeigt. In einem ersten Durchgang haben wir eine Situationsanalyse von zwei exter­ nen Spezialisten machen lassen. Wenn man weiss, dass 2035 ein Drittel der Berner Bevölkerung Chris­ tinnen und Christen sind, ein Drittel anderen Kon­ fessionen angehören und ein Drittel konfessions­ los sein wird, dann sieht man, dass sich die Anspruchsgruppen verändern werden und sich damit auch die Haltung des Staates gegenüber « GEGENWIND GIBT AUCH AUFTRIEB » INTERVIEW MIT CHRISTOPH NEUHAUS «LE VENT CONTRAIRE DONNE AUSSI DE L’ÉLAN » INTERVIEW DE CHRISTOPH NEUHAUS

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