ENSEMBLE Nr. / N° 29 - Juni / Juin 2018

11 ENSEMBLE 2018/29 —– Dossier den Kirchen wandeln muss. Die Landeskirchen, die sich bisher im Windschatten des Kantons be­ fanden, dürfen sich durchaus dem Wind stellen. Denn Gegenwind gibt ja bekanntlich auch Auf­ trieb. Der Bericht, den Sie erwähnen, war ja recht wohl- wollend für die Kirchen. Wie wurde er in der Poli- tik aufgenommen? Zu einem grossen Teil auch wohlwollend. Die bernischen Landeskirchen gehören zu den letzten flächendeckenden Service-Public-Angeboten, die wir noch haben. Die Geistlichen sind auf dem Land oft wie Leuchttürme und sind Vertrauenspersonen für die dortige Bevölkerung. Die Leute wollen nicht mit der Gemeindepräsidentin reden, wenn sie ein Problem haben, oder mit einem Psychiater, einer Sozialarbeiterin oder einem Arzt. Sie wenden sich lieber an die Institution Kirche. Am Anfang haben ja gerade die Geistlichen Be- denken gegenüber dem neuen Landeskirchengesetz geäussert. Wie konnten Sie diese ins Boot holen? Indem man sie an den Diskussionen und den entsprechenden Arbeitsgruppen beteiligte und ihnen aufzeigte, was man eigentlich will. Ich ha­ be mich am Anfang ja geehrt gefühlt, dass sie quasi bei mir bleiben wollten. Aber man hat mit dem neuen Gesetz bestimmte Rahmenbedingun­ gen geschaffen. Das Geld vom Kanton soll nicht dazu da sein, Verwaltungsgebäude aus Marmor zu errichten oder bürokratische Wasserköpfe zu erfinden. Dieses Geld ist für die Front bestimmt und dazu, dass die Seelsorgerinnen und Seelsorger ihre Arbeit machen können. Was ist der Vorteil dieses neuen Systems für die Regierung oder den Kanton? Wir haben das Verhältnis der Kirchen zum Staat entwirrt und entflochten, ohne dass wir sie gerade der freien Wildbahn ausgesetzt haben. Wir übergeben den Kirchen mehr Selbstverantwor­ tung. Die Kirchen haben dabei eine Frist von 2020 bis 2026, in der sie sich weiterentwickeln und sta­ bilisieren können. Man zeigte im vorher erwähn­ ten Bericht auch auf, welche allgemeinen Leistun­ gen die Kirchen erbringen. Dabei geht es um knappe 200 Millionen. Das sind keine Almosen, sondern Betriebsbeiträge, um es etwas salopp aus­ zudrücken. Da muss sich jeder rechtfertigen, wenn er vom Kanton so viel Geld erhält. Sie haben gesagt, dass man die Kirche nicht sofort der freien Wildbahn aussetzen wollte. Ist das nun eine Übergangslösung und in Zukunft wird noch mehr entflochten? Vielleicht kommt einmal eine Initiative für die vollkommene Trennung von Kirche und Staat. Ich gebe dem zurzeit zwar keine grosse Chance, sonst hätten das die Grünliberalen schon längst lanciert. Vielleicht kommt das noch. Wohin die Reise genau geht, kann man heute nicht sagen. Was für Meilensteine hatten Sie sonst noch in Ihrer Amtszeit als Kirchendirektor? Das waren vor allem zwei Dinge. Es gibt heute muslimische Seelsorger in den Justizvollzugsan­ stalten, und wir haben die Gemeinden informiert, wie man Verstorbene muslimischen Glaubens bei­ setzen kann, um deren Ritualen gerecht zu wer­ den. Religionsfrieden heisst für mich auch, dass ©Adrian Hauser Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor Christoph Neuhaus.

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