ENSEMBLE Nr. / N° 30 - Juli / Juillet 2018

15 ENSEMBLE 2018/30 —– Dossier Bei der Sterbebegleitung ist nicht nur die Anwesenheit von Ärzten oder Seelsorgen- den wichtig, sondern auch die von Frei- willigen – also Menschen wie Du und ich. In Biel gibt es dazu seit über 30 Jahren einen speziellen Verein. Von Adrian Hauser Seit 1972 existiert in Biel der «Freiwilligendienst Begleitung Kranker». Über 100 Mitglieder leisten pro Jahr rund 1000 Stunden Freiwilligenarbeit. Die Freiwilligen sind in verschiedene Gruppen ein­ geteilt. Sie besuchen Leute in Institutionen, emp­ fangen Patientinnen und Patienten im Spitalzen­ trum Biel, die sie mit dem Bücherwagen auch mit Lesestoff versorgen. Die meisten engagieren sich aber in der Gruppe für die Begleitung Schwer­ kranker. Dazu gehört auch die Begleitung bis zum letzten Atemzug. Die Freiwilligen entlasten mit ihrer Präsenz Angehörige oder ersetzen diese gar, wenn keine mehr vorhanden sind. «Die Frei­ willigen geben den Sterbenden das Gefühl, nicht allein zu sein, wenn sie dies möchten», erklärt Elisabeth Gmür, die als Gründungsmitglied im Team der Aus- und Fortbildung mitarbeitet. Zu Beginn der Weiterbildung hätten die Freiwilligen oft mit Ängsten zu kämpfen, berichtet sie. Dabei geht es meistens um das Gefühl, nicht zu genügen oder in bestimmten Situationen das Falsche zu sagen. «In der Ausbildung werden die Freiwilligen sorgfältig auf ihre Aufgabe vorbereitet», erklärt Elisabeth Gmür, und: «Am Ende des Kurses steht es ihnen frei, die Aufgabe auch abzulehnen.» Über den Tod nachdenken Der Kurs findet jährlich von Mitte Oktober bis Mitte März statt. Vermittelt werden 19 Einheiten à 2,5 Stunden sowie vier Tagesmodule. Er wird von den reformierten und katholischen Kirchgemein­ den Biel/Seeland unterstützt und kostet die Teil­ nehmenden 500 Franken. Die Gastreferierenden stammen aus den Bereichen Psychologie, Pflege, Gerontologie und Medizinethik. Es wird aktiv und achtsam über den Tod nachgedacht und disku­ tiert. Dies gibt Sicherheit im Umgang mit schwie­ rigen und belastenden Situationen. Es geht aber auch um den Erwerb kommunikativer Kompetenz und das Kennenlernen von typischen Situationen kurz vor dem Tod. Ein wichtiger Teil ist auch, seine eigenen Grenzen zu kennen und Nein sagen zu lernen, wenn man an diese stösst. «Die Kursteil­ nehmenden lernen auch, schwierige Situationen zu verarbeiten und loszulassen», führt Elisabeth Gmür weiter aus. In der Zusammenarbeit mit Fachleuten sei zudem das Bewusstsein wichtig, nicht vom Fach zu sein, sowie ein respektvoller Umgang miteinander. Für medizinische Themen wie Fragen zur Schmerzlinderung oder für schwie­ rige seelsorgerische Fragen braucht es gemäss Elisabeth Gmür immer noch Fachleute. Freiwillige können einfach «da sein», Ängste lindern und Un­ ruhe beruhigen. Kirchgemeinden, die ein Netz zur Begleitung von Personen am Lebensende aufbau­ en wollen, rät sie, die Freiwilligen gut auszuwäh­ len. «Es braucht Personen, die mit sich im Reinen und bereit sind, ihre Einsätze im Austausch auch zu überdenken.» Zudem sollten die betreffenden Personen nicht allzu oft für solche Sterbebeglei­ tungen eingesetzt werden, da es sehr belastend sein kann. Kirchgemeinden können sich für eine Beratung zu diesem Thema gerne auch an das Haus der Kirche wenden. «Oft verdrängt» Für die Begleitung von Menschen am Lebensende ist es also wichtig, dass die Arbeit von Berufsleuten und die Anwesenheit von Freiwilligen ergänzend ineinander greifen. Denn wie Elisabeth Gmür es ausdrückt: «Sterben ist ein zwischenmenschliches Geschehen, das in der heutigen Zeit oft verdrängt wird.» S T E R B E B E G L E I T U N G D U R C H F R E I W I L L I G E «Ein zwischenmenschliches Geschehen» ©Keystone /Caro Oberhaeuser In den letzten Stunden nicht allein sein. Ne pas se retrou- ver seul dans les derniers moments.

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