ENSEMBLE Nr. / N° 31 - August / Août 2018

11 ENSEMBLE 2018/31 —– Dossier Die Lange Nacht der Kirchen zeigte: Kirche ist weit mehr als der traditionelle Sonntags­ gottesdienst! «Unser Kirchenkreis sieht unsere Stadtkirche als ‹ Kirche der Vielfalt › , als Haus mit verschiedenen Zimmern und einer gastlichen Eingangshalle, in der man sich zwischendurch begegnet und sich kennenlernt», so Alexandra Flury-Schölch: «Es freut uns, wenn diese Vision nach aussen strahlt.» Aufgrund der durchwegs positiven Bilanz ist für das ökumenische Team bereits schon jetzt klar: «Nächstes Mal sind wir wieder mit dabei!» Jugendliche übernahmen Verantwortung «Wir waren etwas spät dran mit der Planung.» Dies sagt Martin Tschirren im schattigen Pfarrhaus­ garten direkt am Thunersee bei selbst gepflücktem Tee aus dem Garten. Leissigen ist ein Dorf mit rund 1 500 Einwohnern, die Grundvoraussetzungen al­ so ganz anders als im städtischen Solothurn. Oder doch nicht? Auch Pfarrer Tschirren konnte viele Freiwillige zur Mitarbeit bewegen, insbesondere auch die Jugend. Und auch er versteht sich als offene, gastfreundliche Kirche – das ganze Jahr über und nicht nur an bestimmten Anlässen. Aus der Langen Nacht der Kirchen machte er kurzum ein KUW-Projekt mit Schülerinnen und Schülern der 8. Klasse – «aus arbeitsökonomischen Gründen», wie er sagt. Die Jugendlichen haben Verantwortung übernommen und waren die eigentlichen Gastgeber des Abends. Besonders gut angekommen ist das Essen. Dies wurde hauptsäch­ lich von Familien aus dem Dorf organisiert. Eine Thailänderin, die mit einem Mann aus Leissigen verheiratet ist, bereitete beispielsweise eine authentische Nudelsuppe zu. Eine andere Familie mit einer starken Affinität zu Amerika wartete mit Hot-Dog-Sandwiches auf, eine dritte brachte Falafel mit. Dazu gab es Käse- und Brotspeziali­ täten aus der Gegend sowie ein reichhaltiges Des­ sertbuffet. «Sehr gut angekommen ist auch das Baum­ klettern», erzählt Martin Tschirren. Dies ermög­ lichte eine ortsansässige Baumpflegefirma, die dazu auch das nötige Material hatte. Es gab einen Baum für Erwachsene und einen für Kinder. Gut gesichert konnte man am Seil bis ganz oben in den Wipfel klettern. Die Baumpflegefirma stellte Material und Helfer gratis zur Verfügung. Auch die Musiker, die später auf der offenen Bühne spielten, taten dies ohne Gage. Im Gegenzug dürfen sie die Kirche unentgeltlich für Konzerte nutzen. Die Stilrichtungen reichten von einer Zithergruppe, über World Music, Tangofusion mit Tanz, Pop bis hin zu Orgelklängen und Chorge­ sängen. Im Kirchenraum trat auch eine Tanzgrup­ pe auf und ein junger autistischer Schriftsteller las aus einem seiner Bücher. Dank aller Beteiligten wurde die Lange Nacht der Kirchen zu einem Dorffest. Martin Tschirren schätzt, dass insgesamt etwa 100 Personen den Anlass besuchten. Darunter auch solche, die sich sonst nicht aktiv am Kirchgemeindeleben be­ teiligen. Durch die freiwillige Beteiligung der KUW-Klasse, deren Eltern, des Pfarrers und Mitgliedern des Kirchgemeinderats konnten die Kosten gering gehalten werden. Gebraucht wur­ den etwa 500 Franken für das Essen und ein wenig über 300 Franken für Geschenke. Diese Auslagen wurden aus dem regulären Budget der Kirchge­ meinde genommen. Für die Werbung im Vorfeld schloss man sich teilweise mit anderen Kirchge­ meinden aus dem Bezirk zusammen und bezog auch Material der Landeskirche. Zudem machten die Musiker über ihre Kanäle auf ihre Auftritte auf­ merksam. Für Martin Tschirren war der Anlass ein voller Erfolg: «Das Fest brachte Bewegung in die Kirch­ gemeinde und schuf auch Gelegenheiten zur Be­ gegnung!» Deshalb wäre auch er ein nächstes Mal gerne wieder mit dabei. Positives Fazit Beide Beispiele – Solothurn und Leissigen – zeigen, dass mit Freiwilligenarbeit vieles möglich ist, oh­ ne dass Tausende von Franken ausgegeben wer­ den müssen. In einer Stadt wie Solothurn sind die Ansprüche etwas höher, allerdings können grös­ sere Kirchgemeinden in der Regel auch mehr Frei­ willige aktivieren und auf ein höheres Budget zurückgreifen. Auf dem Land sind die Dimensio­ nen insgesamt kleiner; das hindert aber nicht da­ ran, ein ebenso attraktives Programm zu kreieren und im Verhältnis ebenso viele Leute anzu­ sprechen. ©Adrian Hauser Martin Tschirren auf dem Areal um Kirche und Pfarr- haus in Leissigen. Martin Tschirren sur l’aire de l’Eglise et de la cure de Leissigen.

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