ENSEMBLE Nr. / N° 32 - Oktober / Octobre 2018

20 Fokus —– ENSEMBLE 2018/32 A S S I S T I E R T E R S U I Z I D Kirchliche Hilfestellung Matthias Zeindler * – Wenige Themen werden öf­ fentlich so kontrovers diskutiert wie der assistier­ te Suizid. Fragen rund um die begleitete Selbst­ tötung sind längst auch im kirchlichen Alltag an­ gekommen. Pfarrpersonen finden sich immer häufiger mit Situationen konfrontiert, in denen es darum geht, besonders in der Seelsorge und im Zusammenhang mit Abdankungen. Sie stehen dabei vor anspruchsvollen pastoralen, aber auch theologischen und ethischen Fragen. Seelsorgende unterstützen Der Synodalrat ist der Überzeugung, dass die Kir­ chenleitung ihre Seelsorgerinnen und Seelsorger in ihrer grossen Verantwortung unterstützen soll. Er hat deshalb in den vergangenen Monaten eine Position zur Problematik erarbeitet. Sie trägt den Titel «Solidarität bis zum Ende. Position des Synodalrats der Reformierten Kirchen Bern-Jura- Solothurn zu pastoralen Fragen rund um den as­ sistierten Suizid». Der Rat will mit seiner Stellung­ nahme einerseits theologische und sozialethische Gesichtspunkte darlegen, die orientieren können und zum Gespräch einladen. Andererseits will er den Seelsorgenden Leitlinien für ihr pastorales Handeln bieten. Die Leitlinien können die Verant­ wortlichen zwar nicht von ihrer persönlichen Ent­ scheidung dispensieren, sie geben dafür aber eine kirchliche Hilfestellung. Und Rückendeckung, wenn es darum geht, die eigene Haltung gegen aussen zu begründen. An der Position haben Fachleute aus verschie­ denen theologischen Disziplinen, aber auch aus der kirchlichen Praxis mitgearbeitet. Assistierter Suizid – immer nur ein Grenzfall Eine Einsicht steht in der Position des Synodalrats im Vordergrund: Christenmenschen glauben, dass alles Leben von Gott geschaffen ist, eine göttliche Gabe. Von Gott geschaffenes Leben hat grundsätz­ lich die Verheissung, gutes, reiches, in jedem Fall lebenswertes Leben zu sein. Christinnen und Chris­ ten sind deshalb eindeutig Anwältinnen und An­ wälte des Lebens, sowohl des menschlichen wie des nichtmenschlichen. Leben und Tod können für sie keine gleichwertigen Wahlmöglichkeiten sein. Und doch kann man auch aus biblisch-theo­ logischer Sicht nicht ausschliessen, den Wunsch nach einem assistierten Suizid anzuerkennen. Nämlich dann, wenn für den betreffenden Men­ schen jede andere zur Verfügung stehende Mög­ lichkeit eine noch grössere Belastung bedeuten würde. Dieser Fall kann aber immer nur ein Grenz­ fall sein. Mitgehen bis ans Ende Neu an der Position des Synodalrats ist der Grund­ satz, dass die solidarische Begleitung im Falle eines assistierten Suizids bis zum Sterben reicht. Pfarrpersonen sollen Menschen, die sie begleiten, auch im schwierigsten Moment, dem Akt der Selbsttötung, Beistand leisten, wenn sie es wün­ schen. Ebenso wichtig ist dem Synodalrat aber: Ob Pfarrpersonen theologische Vorbehalte haben oder die psychische Belastung scheuen, in jedem Fall gilt besonders an dieser Stelle das Recht auf den freien Gewissensentscheid. Wo eine Seelsor­ gerin oder ein Seelsorger sich gegen eine Beglei­ tung entscheidet, soll für eine Vertretung gesorgt werden. Dabei kann der Bereich Theologie der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Unter­ stützung leisten. * Leiter Theologie Weitere Informationen Christoph Morgenthaler/David Plüss/Matthias Zeindler, Assistierter Suizid und kirchliches Handeln. Fallbeispiele – Kommentare – Refle­ xionen, Zürich: Theologischer Verlag, 2018, ISBN 978-3-290-17912-0, 295 Seiten. Position des Synodalrats: refbejuso.ch > Standpunkte > Assistierter Suizid Menschen auch im schwierigsten Moment begleiten. Accompagner également dans les moments difficiles. ©Keystone / Interfoto /Karl Thomas

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