ENSEMBLE Nr. / N° 33 - November / Novembre 2018

25 ENSEMBLE 2018/33 —– Fokus möchte die Situation aber nicht beschönigen. Auch wir haben einen Anteil an Leuten, die sich ausserhalb des Radars befinden. Es gibt durchaus Ansätze zur Entwicklung von Parallelgesellschaf­ ten. Die Krux bei uns ist aber vor allem die Ein­ bürgerung. Diese ist mit ihren langen Fristen und dem dreistufigen Verfahren – Gemeinde, Kanton und Bund – im internationalen Vergleich sehr re­ striktiv. Wo hinkt die Schweiz anderen Ländern hinterher? Bei der Einbürgerung, aber auch bei der Früh­ förderung der Kinder und der ausserhäuslichen Betreuung, was die Erwerbstätigkeit der Eltern erheblich beeinträchtigt. Wir federn die Familien­ lasten durch den Sozialstaat sehr wenig ab im Ver­ gleich zu anderen Ländern. Aber das trifft nicht nur die ausländische, sondern auch die einhei­ mische Bevölkerung. Das hat zur Folge, dass die ausländische Bevölkerung, die oft in einem Nied­ riglohnsegment arbeitet, dadurch besondere Hür­ den bei der Integration hat. Wegen der Doppel­ belastung von Beruf und Familie bleibt ihnen wenig Zeit, sich mit der Umgebung auseinander­ zusetzen oder etwa die Sprache zu lernen. Sie haben gesagt, dass Integration kein linearer Prozess ist oder sein soll. Können Sie das noch etwas genauer erklären? Zum einen gibt es Personen, die wieder zurück­ gehen oder bei denen lange offen ist, wo sie über­ haupt leben werden. Zum andern gibt es Rück­ schläge, wenn relativ gut integrierte Kinder der zweiten Generation zur Berufswahl kommen und frustriert sind, wenn sie keine Lehrstelle finden. Diese orientieren sich dann wieder mehr an ihrer Herkunftskultur und lehnen die aktuelle Umge­ bung ab. Es gibt also durchaus Wellen in der Integration. Integration ist nicht immer eine lineare Erfolgsgeschichte. Wo sehen Sie die Rolle der Kirche bei der Inte­ gration? Die Kirchen haben eigentlich zwei Rollen. Die eine ist ihr Wächteramt, das darin besteht, christ­ liche Werte gegenüber staatlichen und privaten Akteuren zu vertreten. Die andere ist die diakoni­ sche Rolle, indem sie das Zugehen auf Fremde und die Nächsten sichtbar praktizieren. Mit ihrem Engagement zeigen sie, dass dies nicht nur Leer­ formeln sind, sondern es ein konkretes persön­ liches Engagement bedeutet. Die Nähe zu den Menschen ist nicht immer nur erfreulich und be­ inhaltet das Risiko des Scheiterns. Trotzdem ist die Kirche gefordert, dies zu leben. Daher ist das Engagement von Kirchgemeinden und Freiwilli­ gen ein sichtbares Zeichen des Christseins. Joint Future Walter Schmid hielt am 10. Jahrestreffen des Netzwerks «Joint Future» der Reformierten Kir­ chen Bern-Jura-Solothurn von Ende August das Inputreferat über Integration. Das Netzwerk vereint Mitarbeitende und Freiwillige von Kirchgemeinden, die sich in Migrations- und Integrationsprojekten engagieren. Das Grundsatzpapier: «Integration neu denken» findet sich unter www.clubhelvetique.ch > Grundlagenpapiere ©Adrian Hauser Walter Schmid

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