ENSEMBLE Nr. / N° 33 - November / Novembre 2018

26 Fokus —– ENSEMBLE 2018/33 sind. Pfarrerinnen und Pfarrer können angesichts von abgrundtiefem Elend und Tod auch dann noch etwas mitbringen, wenn alles verloren ist und the­ rapeutische Ansätze nicht mehr helfen. Dass Pfarr­ personen im Care Team an vorderster Front mit Angehörigen der Kantonspolizei, der Rettungs­ dienste und der Feuerwehren zusammenarbeiten, ist für die alltägliche pfarramtliche Tätigkeit und für die Stellung der Kirche in der säkularisierten Gesellschaft zudem von unschätzbarem Gewinn. Heute ist die Zahl der Pfarrpersonen im bernischen Care Team gegenüber den Nichttheologen sehr klein. Anfänglich wurde die Care-Arbeit unter der Bezeichnung «Notfallseelsorge» bekannt und aus­ schliesslich von Pfarrpersonen geleistet. Dann wur­ de die Bezeichnung «Notfallseelsorge» zugunsten des säkularen Namens «Care Team» aufgegeben. Wie konnten Sie die schlimmen Erlebnisse ver- arbeiten und mit dieser schwierigen Aufgabe zu- rechtkommen? Es gibt verschiedene Faktoren, die mir bei mei­ nen notfallseelsorgerlichen Einsätzen, bei Ohn­ machtsgefühlen und bei der Verarbeitung eines schweren Einsatzes geholfen haben: Meine Kom­ petenz als Notfallseelsorger habe ich gut ausge­ bildet und Jahr für Jahr weitergebildet. Mein Ver­ trauen zu Gott und die Verankerung zur Religion hilft mir dabei ebenso. Ausserdem denke ich sehr positiv. Ich spreche auch über das Erlebte im ver­ trauten und diskreten Rahmen mit anderen Care-Leuten, mit Polizisten, Rettungssanitätern und mit der Ehefrau. Meine Gewissheit, dass zum Leben auch Leid und Tod gehört, unterstützt mich ebenfalls. Ich achte auf eine gesunde Ernährung und treibe viel Sport. Mir ist ein erholsamer Schlaf auch sehr von Bedeutung. Zu Hause und im Beruf habe ich ein sehr gutes Umfeld, dazu pflege ich meine Ehe und das Familienverhältnis sehr. Gibt es etwas, das Sie nicht missen möchten? Der Zugang zu unterschiedlichsten Menschen in Grenzsituationen des Lebens, die kollegiale Zu­ sammenarbeit und enge Vernetzung mit den Blau­ lichtorganisationen sowie die unplanbaren Ein­ sätze rund um die Uhr machten die Arbeit als «Notfallseelsorger» interessant, spannend und abwechslungsreich. Manches Erlebnis hat sich tief in mir eingeprägt. Auf Pikett wurden Sie manchmal aus dem Pfarr- amt weggerufen. Hat Ihre Arbeit im Care Team der Kirchgemeinde auch etwas gebracht? Hans Zaugg war lange Jahre Gemeindepfarrer und Seelsorger im Care Team Kanton Bern. Er erklärt, warum die Mitarbeit in der Notfall- seelsorge ihm als Pfarrer nützte, gleich- zeitig aber auch die Kirchgemeinde davon profitierten konnte. Interview von Claudia Hubacher* Kürzlich sind Sie in Pension gegangen. Sie waren vierzig Jahre im Pfarramt tätig und davon acht- zehn Jahre Mitglied des Care Teams Kanton Bern. Weshalb haben Sie sich diese lange Zeit in der Not- fallseelsorge engagiert? Ich bin 1979 Pfarrer und im Jahr 2000 Notfall­ seelsorger geworden, weil ich Mitmenschen in schwierigen Lebenssituationen beistehen und ihnen helfen möchte. Seit vierzig Jahren bin ich mit Leib und Seele Gemeindepfarrer. Und wäh­ rend nahezu achtzehn Jahren war ich nebenberuf­ lich als Notfallseelsorger und Einsatzleiter des bernischen Care Teams im Dienste von hilfsbe­ dürftigen Mitmenschen im ganzen Kanton unter­ wegs. Die Ausbildung im Care Team Kanton Bern ist vielseitig und ein grosser Gewinn für alle Pfarr­ personen. Angehörige des bernischen Care Teams können sich in ihrer fachspezifischen Aus- und Weiterbildung, aber auch in den jährlichen Wiederholungkursen bei den Rettungsdiensten laufend neue Kompetenzen erwerben in der psychologischen und seelsorgerischen Betreuung von Menschen in ausserordentlichen Situationen. In vielen Fällen kann man traumatisierten Mit­ menschen in den ersten Stunden nach einem schrecklichen Ereignis helfen. Im Unterschied zum Pfarramt, das konfessionell ausgerichtet ist, tut man die Arbeit im Care Team für alle Men­ schen innerhalb des Kantons Bern – und zwar über alle Grenzen der Herkunft, Religion, Staatszuge­ hörigkeit und Kultur hinweg. Menschen in Not­ situationen nahe sein und beistehen ist grund­ sätzlich eine christliche und kirchliche Aufgabe. Es hat Psychologen, Psychologinnen und Menschen aus verschiedenen Berufen im Care Team. Wieso braucht es Pfarrerinnen und Pfarrer in der Not- fallseelsorge? Kaum eine andere Berufsgattung ist dermassen mit dem Tod und dem Ritual Abschiednehmen konfrontiert wie Theologen, die im Pfarramt tätig C A R E T E A M K A N T O N B E R N Ein unschätzbarer Gewinn * Synodalrätin und Departementschefin Sozialdiakonie

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