ENSEMBLE Nr. / N° 34 - Dezember / Décembre 2018

14 Dossier —– ENSEMBLE 2018/34 Ingo Schütz betreut als Sozialarbeiter und Sozialdiakon der Kirchgemeinde Johannes unter anderem Personen, welche ihre Arbeit verloren und «aus dem sozialen Netzwerk herausgefallen» sind. Im Gespräch erzählt er von seinem Beruf, in welchem kein Tag gleich ist wie ein anderer, und appelliert an die Menschlichkeit in unserer Gesellschaft. Von Daria Lehmann Ingo Schütz sitzt an einem weissen, runden Tisch in seinem Büro im Kirchgemeindehaus Johannes. Draussen haben sich die Blätter bereits herbstlich verfärbt und strahlen ein warmes, gelbes Licht ab. In diesem Raum empfängt der Sozialarbeiter und Sozialdiakon sozialhilfebeziehende Personen, hört sich ihre Geschichten an und versucht, mit ihnen einen Weg zurück in die Arbeitswelt zu finden. Menschen begleiten Ingo Schütz war nicht immer Sozialarbeiter der Kirche. Nach seiner Erstausbildung als Elektroni­ ker verbrachte er ein halbes Jahr als Matrose auf einem Schiff, eine «Denkpause», wie er es nennt. Nachdem er dann in Bern Sozialarbeit studiert und eine Weiterbildung in «Systemischer Einzel-, Paar- und Familienberatung» absolviert hatte, arbeitete er zuerst einige Jahre in der psychiatrischen Uni­ versitätsklinik UPD in Bern. «In der UPD war mein Alltag sehr klar geregelt», erzählt Ingo Schütz. «Für aufgenommene Personen musste jeweils in­ nerhalb von drei Wochen eine Anschlusslösung auf dem Tisch sein.» Hier, in der Kirchgemeinde Johannes, gestalte sich sein Alltag viel diverser. «Es ist kein Tag wie ein anderer.» Besonders schätzt Ingo Schütz an seinem jet­ zigen Beruf, dass er sich Zeit für seine «Klientel» nehmen kann. «Arbeitslos zu werden, kann jedem passieren», sagt der 54-Jährige und erzählt von einer Frau, die mit 50 Jahren ihre langjährige An­ stellung wegen Umstrukturierungen verlor. «Für Betroffene ist es oft sehr schwer, ihren Freunden und Bekannten gegenüber zuzugeben, dass sie arbeitslos sind. Sie schämen sich dafür, keine be­ ruflichen Leistungen mehr zu erbringen, und zie­ hen sich sozial immer mehr zurück. Wenn man nicht mehr daran glaubt, wichtige Leistungen zu bewirken, beginnt man öfters, sich wertlos zu fühlen.» Ingo Schütz’ Aufgabe ist es nun, solche – oft psychisch angeschlagene – Personen zurück ins Arbeitsleben zu begleiten und ihnen Möglichkei­ ten zur sozialen Partizipation aufzuzeigen. Ein Hauptproblem dabei: das sehr bescheidene Bud­ get. Ingo Schütz berichtet von einem Surprise-Ver­ käufer, der ihm erzählte, dass er nicht gerne von anderen Personen zum Essen eingeladen werde. «Er fragte mich: ‹Wie soll ich das denn annehmen, wenn ich doch genau weiss, dass ich es mir nicht leisten kann, die Person dann auch mal zu mir nach Hause einzuladen?›.» Auch für Kino- und Theaterbesuche oder die Mitgliedschaft in einem Sportverein reicht das Geld meist nicht, sagt Ingo Schütz – und an Ferien sei gar nicht erst zu denken. Zu wenig Angebote Für Ingo Schütz ist es problematisch, dass die par­ tizipativen Möglichkeiten von Sozialhilfebezie­ henden oft so stark eingeschränkt sind. «Jeder Mensch sollte am gesellschaftlichen Leben teil­ haben können.» Es gibt zwar laut dem Sozialarbei­ ter bereits gute Angebote für Personen mit kleinen Budgets – zum Beispiel die «Äss-Bar», den «Cari­ tas»-Laden oder die Kulturlegi. «Aber da könnten wir noch viel kreativer sein.» Weiteren Handlungsbedarf sieht Ingo Schütz bei unseren gesellschaftlichen Werten. «Ich fände es sehr wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man auch jemand ist, wenn man nicht leisten kann. Jeder Mensch ist wertvoll, unabhängig da­ von, ob er arbeiten kann oder nicht.» F L ' A I D E S O C I A L E Précieux même sans performance Ingo Schütz est travailleur social et diacre de la paroisse Johannes à Berne. Il s’occupe notam- ment de personnes ayant perdu leur travail et qui se retrouvent exclues du tissu social. Dans un entretien, il nous parle de son métier, où les jours se suivent et ne se ressemblent pas. Il y lance un appel à la compassion au sein de notre société. Par Daria Lehmann Ingo Schütz est assis à une table blanche et ronde, dans son bureau de la maison de paroisse Jo­ hannes. Dehors, les feuilles se sont déjà drapées de leurs couleurs automnales et réfléchissent une lumière chaude et dorée. C’est dans cette pièce que le travailleur social reçoit des personnes bé­ S O Z I A L H I L F E Wertvoll auch ohne Leistung

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