ENSEMBLE Nr. / N° 35 - Januar / Janvier 2019

17 ENSEMBLE 2019/35 —– Dossier Cornelia Knuchel arbeitet bei der Hörbehin- dertengemeinde im Haus der Kirche. Sie selbst ist gehörlos und berichtet aus ihrem Alltag. Von Annemarie Hänni* und Helena Durtschi** Wer am Donnerstagmittag ins Haus der Kirche kommt, ist ihr vielleicht schon begegnet: Cornelia Knuchel steht dann als Mitarbeiterin der Hörbe­ hindertengemeinde in der Küche. Als Teil eines dreiköpfigen Teams ist sie für den Mittagstisch der Hörbehindertengemeinde (HBG) zuständig. Zum Team der HBG gehören neben ihr eine Pfarrerin und ein Sozialdiakon. Anders als die beiden anderen Teammitglieder ist Cornelia Knuchel gehörlos – seit Geburt. Die ausgebildete Bibliothekarin arbeitet seit über einem Jahr hier. Neben dem Organisieren des Mit­ tagstischs wirkt sie bei der Vorbereitung und Durchführung von Gottesdiensten und Veranstal­ tungen mit oder gibt Kurse in Gebärdensprache. «Übersetzungsarbeit» Obwohl das Team für die Arbeitssitzungen eine Dolmetscherin engagieren kann, kommunizieren die Pfarrerin und der Sozialdiakon in Gebärden­ sprache mit Cornelia Knuchel. Die Kompetenzen von Cornelia Knuchel werden von den Teammit­ gliedern geschätzt. Sie ist zuverlässig, offen und arbeitet konzentriert. In Gottesdiensten kann sie als Betroffene Texte und Lieder in Gebärden­ sprache besonders gut vermitteln. Ausserdem kann sie sich in die Probleme und Schwierigkeiten von Menschen mit einer Hörbehinderung einfüh­ len und so auch «Übersetzungsarbeit» für hörende Menschen machen. Sensibilisierung Was ist für Menschen mit einer Hörbehinderung aus Sicht von Cornelia Knuchel besonders schwie­ rig? «Hörende Menschen können im Vorbeigehen schnell Informationen austauschen, das können hörbehinderte Menschen nicht», sinniert sie. «Ge­ hörlose versuchen dann von den Lippen abzu­ lesen, doch das geht nur, wenn das Gegenüber deutlich spricht und das Gesicht nicht mit der Hand verdeckt. Manchmal ist es unmöglich, das Gesagte zu verstehen –besonders in einer grösse­ ren Gruppe. In solchen Situationen fühlen sich viele Gehörlose allein.» Spannend findet Cornelia, dass sich ihre Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen für die Gebärdensprache interessieren. Jeden Monat schickt sie einen selbstproduzierten Film per YouTube mit drei Gebärdenwörtern. Ausserdem hängt sie auf der Toilette ein Bild oder einen Text auf, der für die Gehörlosenkultur sensibilisiert. Cornelia Knuchel: «Gehörlose sind Augenmen­ schen und nehmen die Welt mit ihren Augen oft viel differenzierter wahr als hörende Menschen.» A R B E I T M I T B E H I N D E R U N G «Gehörlose sind Augenmenschen» Postulat zu Mitarbeitenden mit Handicap «Kirche als soziale Arbeitgeberin von Mitarbeitenden mit Han­ dicaps» – unter diesem Titel ist in der Sommersynode 2018 ein Postulat eingereicht worden. Der Synodalrat hat darauf den Be­ reich Sozial-Diakonie beauftragt, einen detaillierten Bericht mit möglichen Massnahmen auszuarbeiten. Der Bereich Sozial-Diakonie sammelt deshalb zu dieser The­ matik Erfahrungen von Kirchgemeinden. Die Erfahrungen von Arbeitnehmenden mit Handicaps und von Behördenmitgliedern bilden eine wichtige Grundlage für die Formulierung von mög­ lichen Massnahmen. Interessiert ist der Bereich auch an Perso­ nalreglementen von Kirchgemeinden, in denen die Integration und Förderung von Menschen mit Behinderung erwähnt werden. Selbstverständlich werden sämtliche Angaben vertraulich be­ handelt. Kontakt: Bereich Sozial-Diakonie, Helena Durtschi, Fachmitarbeiterin, helena.durtschi@refbejuso.ch, Tel. 031 340 25 71 * Pfarrerin Hörbehindertengemeinde ** Fachmitarbeiterin Sozialdiakonie ©Adrian Hauser Cornelia Knuchel

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