ENSEMBLE Nr. / N° 36 - März / Mars 2019

12 Dossier —– ENSEMBLE 2019/36 crise contemporaine et la réduction de l’Eglise à une institution, dont la survie dépendrait de sa réorganisation. Le Bâlois était très admiratif de l’ouverture entamée par l’Eglise catholique à l’oc­ casion du Concile œcuménique Vatican II (1962- 65). Le théologien inviterait sans doute aujourd’hui les Réformés à se remettre en question plus pro­ fondément et à redécouvrir le vrai trésor de l’Eglise, qui est l’Evangile. D Der Basler Karl Barth ist ein Gigant der christlichen Theologie. Er hat das Denken seiner Zeit auf den Kopf gestellt, und er provo- zierte damit Widerstand. Fünfzig Jahre nach seinem Tod werden seine Schriftenmehr denn je in der ganzen Welt gelesen und studiert. Eine Annäherung mit Christophe Chalamet, Professor für Theologie. Von Nathalie Ogi Was macht Karl Barth in Ihren Augen so wichtig? Mit über 30 000 veröffentlichten und ebenso vielen unveröffentlichten Textseiten, darunter die 10 000 Seiten seiner «Dogmatik», ist der Basler (1886–1968) ein veritabler Gigant der christlichen Theologie. Papst Paul VI. sagte über ihn, er sei der grösste Theologe seit Thomas von Aquin. Auch heute noch kann er uns helfen, das Evangelium zu denken. Während seines gesamten Lebens hat er sich die Frage gestellt, was genau das Evan­ gelium sei. Für ihn ist es weder Idee noch Gedanke. Es ist vielmehr eine Person: Christus, Jesus von Nazareth. Eine der Eigenheiten von Karl Barth ist es, dass er alles an der Figur von Christus fest­ macht. Er fragt sich auch, ob Christus nicht der echte Mensch sei, das menschliche Wesen in sei­ ner ganzen Echtheit. Für ihn ist Christus der Kern, er erhellt sämtliche Bereiche der menschlichen Wirklichkeit, mit sämtlichen Fragen, die den Men­ schen unter den Nägeln brennen. Welches war sein Einfluss auf die französisch­ sprachige Theologie der Westschweiz? Zwischen 1909 und 1911 war Karl Barth Hilfs­ pfarrer der deutschsprachigen Kirchgemeinde von Genf. Später rief er in der Westschweiz viel Kritik hervor, die damals stark geprägt war vom theologischen Liberalismus des 19. Jahrhunderts. Theologen wie der Genfer Auguste Lemaître lehn­ ten diese doktrinäre Theologie ab. In den 30er-Jah­ ren verteidigte Barth etwa die Doktrin der jung­ fräulichen Geburt von Jesus, was den Liberalen sauer aufstiess. Der Basler befürwortete zudem eine Rückkehr zu Calvin und Luther, und er sah den Menschen als Sünder – eine Sicht, die den Liberalen zu pessimistisch war. Barth hat Calvin durchaus auch kritisiert, etwa dessen Theorie der «doppelten Prädestination» (dahinter steckt die Vorstellung, Gott erwähle bestimmte Menschen und verdamme andere, und das bis in alle Ewig­ keit). In den 30er-Jahren ereignete sich nun aber ein «Clash», und (fast) eine ganze Generation fand wieder Gefallen an Barth. Die meisten meiner Pro­ fessoren an den Universitäten Genf oder Lausanne waren Barthianer, zumindest für eine gewisse Zeit. Wie sah er die Theologie? Barth verteidigte die dialektische Theologie. Das ist ein Denken in Bewegung, aber die Bar­ thianer waren mit der Zeit sehr festgefahren. Seine Theologie berücksichtigte die Ambivalen­ zen, die in der Beziehung zwischen Mensch und Gott, zwischen Leben und Tod, zwischen Gut und Böse auftreten. Er ging die Dinge immer von ihrem Ursprung her an. Er war der Meinung, ein Theologe dürfe sich nicht auf dem Erreichten aus­ ruhen, sondern müsse sich jeden Morgen neu hinterfragen. Daraus ergibt sich eine sehr leben­ dige Theologie, ein Denken, das versucht, auf der Höhe seines Themas, seines Gegenstands zu sein. Für ihn war die Theologie eine Aussage zu Gott, während die Theologen des 19. Jahrhunderts lie­ ber von Religion sprachen. Karl Barth liebte das Isenheimer Altarbild sehr. Für ihn war der Finger, den Johannes der Täufer auf den Gekreuzigten richtet, das perfekte Bild für das, was die Theo­ logie versuchen soll, aber auch die Kirche. Er sprach sich aus gegen die Selbstreferenz der Kir­ che. Diese Haltung nimmt heute auch Papst Fran­ ziskus ein. Was interessiert Theologen heute noch am Denken von Karl Barth? Seit den 90er-Jahren werden unablässig Thesen zum Denken Barths publiziert, insbesondere in der englischsprachigen Welt. Sie beschäftigen sich mit seiner Vision der Kirche, des Menschen oder von Christus; mit seiner Auslegung der Schrift (auf «Für ihn ist Christus der Kern, er erhellt sämtliche Bereiche der menschlichen Wirklichkeit, mit sämtlichen Fragen, die den Menschen unter den Nägeln brennen.»

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