ENSEMBLE Nr. / N° 36 - März / Mars 2019

14 Dossier —– ENSEMBLE 2019/36 F I G U R E N T H E A T E R Klare Sprache Der Regisseur und Schauspieler Michael Schwyter hat sich als Nicht-Theologe an Karl Barth herangewagt. Aus dieser Aus- einandersetzung ist ein Figurentheater entstanden, das einen nachdenklichen, verletzlichen Menschen zeigt und die Zuschauenden zum Denken anregt. Von Selina Leu «Eine fulminante, vierzigminütige Expressreise durch Karl Barths Leben» sei Michael Schwyters Theaterstück KARL.B.DENKT. Michael Schwyter schaffe es, Barths theologisches Arbeiten, sein Ringen um verantwortliches Handeln in der Kir­ che, in der Politik und in der Beziehung auf der Puppenbühne erlebbar zu machen, schreibt ein begeisterter Zuschauer nach der Vorpremiere von Schwyters Figurentheater. Schwyters Faszination für den bedeutendsten protestantischen Theologen des 20. Jahrhunderts wurde eher per Zufall geweckt. Schwyter, der mit seinem Figurensolo «Zwingli» seit drei Jahren durch die Schweiz tourt, wurde 2017 auf dem Kir­ chentag in Berlin gefragt, ob er das, was er mit Zwingli auf die Bühne bringe, auch mit Karl Barth könne. «Zu diesem Zeitpunkt war mir Karl Barth noch kein Begriff», sagt der Schauspieler. Querbeet habe er sich in Barth eingelesen, habe nach Ori­ ginalzitaten gesucht, Biografien und Archive durchstöbert. «Schnell habe ich gemerkt: Karl Barths Gedanken und Werke gehen alle etwas an, nicht nur die Theologen.» Polarisierende Figur Karl Barth sei ein Theologe gewesen, der gestrau­ chelt sei, gesucht und gehadert habe mit der Fra­ Auch für Kirchgemeinden Michael Schwyters Figurentheater KARL.B.DENKT kann von Kirchgemeinden für eine Inszenierung vor Ort gebucht werden. Richtpreis ca. 600 Fran­ ken pro Aufführung, je nach Distanz und Zeit­ aufwand. Weitere Infos unter: www.transporttheater.ch ©zVg Pfarrer Dr. Johan- nes Voigtländer, Beauftragter Karl- Barth-Jahr, und Schauspieler Michael Schwyter (rechts). Le pasteur Johan- nes Voigtländer, le commissaire de l’année Karl Barth, et l’acteur Michael Schwyter (à droite). ge, wie man die Religion und als Kirche leben soll. Hierbei habe ihn insbesondere Barths Menschen­ bild fasziniert, so Schwyter. «Karl Barth ging nicht vom perfekten Menschen aus und passt selber in kein normales Deutungsmuster.» Auf der persön­ lichen Ebene heisst dies etwa, dass Karl Barth gleichzeitig eine Beziehung zu zwei Frauen unter­ hielt, eine «Notgemeinschaft zu dritt», wie er dies selbst nannte. Auch politisch polarisiert Barth. Während des Zweiten Weltkriegs stellte er sich gegen eine Theologie, die die Kriegspolitik in Deutschland unterstützte. Er störte sich daran, dass die Menschen im Dritten Reich «sich wie Gott aufspielten», so Schwyter, und verweigerte in den Dreissigerjahren in Bonn den Eid auf Hitler. Und trotzdem streckte Barth den Nationalsozialisten später wieder die Hand entgegen: «Her zu mir, ihr Unsympathischen, ihr bösen Hitlerbuben und -mädchen, (…) ihr nun so lange geduldig und dumm hinter eurem sogenannten Führer herge­ laufen seid! (…) gerade mit euch will ich jetzt vom Nullpunkt her anfangen!», zitiert Schwyter mit seiner Pfeife rauchenden Puppe Karl Barth auf der Bühne. Raum zum Nachdenken Eine Stärke Barths sieht Schwyter in dessen klarer Sprache. Deshalb arbeitet der Regisseur beim Stück selbst vorwiegend mit Originalzitaten, die er gekonnt und souverän arrangiert. Er zeichnet damit einen nachdenklichen, verletzlichen Men­ schen, der zugleich ehrlicher und glaubwürdiger Wort-Gottes-Theologe sein will. Und was soll Schwyters Publikum aus dem Stück mitnehmen? Ein Eintauchen in die Welt von Karl Barth sei ein Eintauchen in die Welt eines Menschen, der sich und die Menschheit hinter­ frage. «Das ist wertvoll in der heutigen ‹Verbrau­ cherzeit›», so der Künstler. «Die Inszenierung gibt Raum, über sich nachzudenken – die Figur aus Stoff und Schaum ist eine gute Projektionsfläche für eigene Befindlichkeiten.»

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