ENSEMBLE Nr. / N° 37 - April / Avril 2019

16 Dossier —– ENSEMBLE 2019/37 Schon seit jungen Jahren beschäftigt sich der 74-jährige Daniel Sieber mit dem Nahost- konflikt. Als Mitglied der Berner Mahn- wache setzt er sich ein für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina – dem Land, in dem das Christentum seinen Ursprung hat. Von Angela Wagner Ein kalter Januarmorgen und es liegt ein Hauch von Schnee, der unten in der Stadt fehlt. Seit vielen Jahren wohnt Daniel Sieber in diesem Haus im Spie­ gel. Hier sind seine Kinder aufgewachsen, hier hat er mit seiner Frau gelebt, die vor kurzem verstorben ist. Gesellschaft leistet ihm die Katze Simba, die jetzt mit Futter in den Wintergarten gelockt wird. «Sonst haben wir keine Ruhe und immer jemanden, der Streicheleinheiten erbettelt.» Sieber lacht, streicht der Katze über den Kopf und setzt sich aufs Sofa mit Blick in den Garten. Einblick vor Ort Seit zehn Jahren ist Daniel Sieber ein sehr aktives Mitglied der Berner Mahnwache (Gründung 1997) für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina. Jeden zweiten Freitag im Monat stehen er und viele weitere Mitglieder mit einem auffälligen Transparent vor der Heiliggeistkirche. Mit einer stillen Mahnwache machen sie auf den noch im­ mer ungelösten Konflikt in Israel/Palästina auf­ merksam. Sieber blättert im dicken Ordner, in dem er die vielen gelben Flugblätter aufbewahrt, die während der Mahnwache an Passanten verteilt werden, und erzählt von früher. Mit der Thematik des Nahostkonflikts habe er sich schon Jahre vor der Zeit bei der Mahnwache beschäftigt. 1971 reiste er nach Israel. Der junge Sieber hatte zu dieser Zeit sein Studium zum Sekundarlehrer abgeschlossen und bereits eine Weile gearbeitet: auf der Belgischen Botschaft und beim Christlichen Friedensdienst CFD. Es war seine zukünftige Frau, die damals auch beim CFD arbei­ tete und ihn dazu ermutigte, an einer Israelreise des CFD teilzunehmen. Während drei Monaten reiste Sieber mit einer Gruppe durchs Land und erhielt Einblick in die jüdische und die arabische Kultur. Ihm sei klar geworden, dass eine einseitige Geschichte erzählt werde. Die Geschichte einer Nation in Sorge um die Legitimation des Staates Israel, der sich selbst als Besitzer dieses «heiligen Landes» präsentiert und einen Grossteil der Bevölkerung durch Gesetze diskriminiert. Seine Betonung des «heiligen Landes» lässt vermuten, dass er diesen Begriff im heutigen Kontext nicht treffend findet. «Wenn man weiss, wie viele Kriege dort bereits stattgefunden haben, dann fragt man sich, wie heilig dieses Land wirklich sein kann.» Israel/Palästina ist für Sieber aber doch kein x-be­ liebiges Land. Er ist religiös engagiert und inter­ essiert sich für das Land, in dem das Christentum seine Wurzeln hat. Zum Christentum bekannt hat er sich bewusst und liess sich im Erwachsenenalter taufen. Grosse Solidarität Sieber hat Mühe damit, dass der Nahostkonflikt und das Unrecht an der palästinensischen Bevöl­ kerung vielfach unter den Teppich gewischt werde – auch bei uns. Er steckt sehr viel Herzblut in sein Engagement bei der Mahnwache. Das merkt man an der Art, wie er darüber spricht und wie viel er über die Thematik weiss. Den Konflikt lösen könne die Mahnwache leider nicht, da müsse man be­ scheiden bleiben. Aufgeben ist für Sieber aber keine Option. «Die Solidarität in der Gruppe ist gross und wir motivieren uns gegenseitig, diese wichtige Informationsarbeit so lange wie nötig weiterzuführen.» Neben der grossen Enttäuschung über die Entwicklungen des Konflikts ist in Daniel Siebers Anwesenheit noch etwas anderes ganz deutlich spürbar: Hoffnung auf eine plötzliche Wende. I S R A E L / P A L Ä S T I N A «Aufgeben ist keine Option» ©Angela Wagner Daniel Sieber

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=