ENSEMBLE Nr. / N° 37 - April / Avril 2019

17 ENSEMBLE 2019/37 —– Fokus MITTEL FÜR EIN WÜRDEVOLLES LEBEN KOMMENTAR REVISION SOZIALHILFEGESETZ er sei, antwortet Jesus im Evangelium sinngemäss mit Worten aus dem Jesajabuch (61,1): «Denn der Herr hat mich gesalbt, um den Armen frohe Bot­ schaft zu bringen, er hat mich gesandt, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um Frei­ lassung auszurufen für die Gefangenen und Be­ freiung für die Gefesselten …» Das Evangelium ist zuallererst eine gute Nachricht für die Armen und vom Leben Gebeutelten. Es nimmt nicht Partei für die Starken, Erfolgreichen und Lebenssicheren. Sie haben bereits ihre Lobby. Christus und mit ihm unsere Kirche stehen auf der Seite der Schwachen und Ausgegrenzten. Willkürliche Kürzung Arbeiten zu können gehört zur Würde des Men­ schen und ist wohl einer der wichtigsten Sinn­ stifter. Für die meisten Sozialhilfebeziehenden ist es eine Demütigung, arbeitslos zu sein. Und im­ merhin arbeitet fast ein Drittel der Sozialhilfebe­ ziehenden und ist nur ergänzend auf die Sozial­ hilfe angewiesen. Bloss eine Minderheit hat es sich in der Sozialhilfe «bequem» eingerichtet, sofern das überhaupt möglich ist. Darf der Massstab für den Umgang an den schwächsten Gliedern dieser Gruppe angelegt werden? Genau dieser Verdacht steht im Raum, wenn eine willkürliche Kürzung der Sozialhilfegelder geplant ist. Darf es sein, dass diese ohnehin nicht auf der Sonnenseite des Le­ bens stehenden Menschen nun zusätzlich bestraft werden? Halten wir an dieser Errungenschaft fest, dass allen Menschen in unserem Land genügend Mittel für ein würdevolles Leben zur Verfügung stehen! Im Kanton Bern findet am 19. Mai die Ab- stimmung über das revidierte Sozialhilfege- setz statt, das verkürzte Leistungen vorsieht. Gleichzeitig kann die Stimmbevölkerung über einen Volksvorschlag abstimmen, der die Sozialhilfe stärken will. Ein Kommentar dazu von Pfarrer Daniel Winkler aus Riggisberg. Von Daniel Winkler Das revidierte Sozialhilfegesetz, das im Kanton Bern am 19. Mai zur Abstimmung kommt, wirft hohe Wellen. Man will bei den Sozialhilfebezie­ henden sparen. Der von der Schweizerischen Kon­ ferenz für Sozialhilfe (SKOS) errechnete Betrag von 977 Franken für Ernährung, Kleidung, Körperpfle­ ge, Mobilität, Strom, Telefon, Fernsehgebühren und den übrigen täglichen Bedarf wird als zu hoch eingestuft. Mit Krankenversicherung und Miete liegen die Kosten für eine Einzelperson bei rund 2200 Franken pro Monat. Die Argumentation, einerseits die Sozialhilfe senken zu wollen (8 bis 30 Prozent) und anderseits Anreizleistungen zu schaffen, scheint auf den ersten Blick zu funktio­ nieren. Bei genauerem Hinsehen sind es aber reine Sparmassnahmen auf dem Rücken der Schwächs­ ten. Betroffen sind viele alleinerziehende Mütter mit Kindern. Von den 46 500 Sozialhilfebeziehen­ den im Kanton Bern sind über 30 Prozent Kinder! Eine Errungenschaft preisgeben? Bescheid wissen die Sozialdienste, die direkten Kontakt zu den Betroffenen haben. Und dort ist der Tenor eindeutig: Viele Sozialhilfebeziehende zittern jedes Quartal der neuen Stromrechnung entgegen und wissen nicht, ob sie diese bezahlen können. Es ist eine Errungenschaft einer Gesell­ schaft, wenn Menschen, die keiner Erwerbstätig­ keit nachgehen können, nicht hungern und eben­ so wenig auf ein Minimum an gesellschaftlicher Partizipation verzichten müssen. Die Sozialhilfe ermöglicht ihnen ein menschenwürdiges Leben. Will man diese Errungenschaft nun tatsächlich preisgeben? Unsere Kirche, die in der Nachfolge Jesu Christi steht, beherzigt seine Worte. Auf die Frage, wer Daniel Winkler ©zVg

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