ENSEMBLE Nr. / N° 37 - April / Avril 2019

5 ENSEMBLE 2019/37 —– Dossier wird gefördert, das ist friedensstiftend. Des Wei­ teren können der Religionsunterricht in der Schu­ le oder Weiterbildungen für Erwachsene zum Thema Frieden und Konflikt die Gesellschaft für den Frieden sensibilisieren, was ebenfalls ein wich­ tiger Teil der Friedensarbeit ist. Und schliesslich leistet die Kirche oftmals gute Arbeit, wenn es um das Vermitteln zwischen Konfliktpartnern geht. Warum betreibt die Kirche denn überhaupt Frie- densarbeit? Ist der Friedensgedanke in der christ- lichen Religion verankert? Pierre Bühler: Einerseits ist die Kirche im Feld der Friedensarbeit sozusagen «automatisch» eine Akteurin, weil die Friedensarbeit in der Gesell­ schaft sehr breit gefasst werden sollte: Friedens­ arbeit ist Politik, ist teilweise auch Sozialarbeit und so weiter – kurz: die Kirche ist Teil der Frie­ densarbeit, weil sie Teil der Gesellschaft ist. Ande­ rerseits ist für mich die Friedensarbeit auch Teil der christlichen Religion. Die Kirche hat das An­ liegen, friedensstiftend zu sein. Es kann sein, dass das nicht für alle Christen so ist wie für mich, aber meiner Meinung nach ruft die christliche Religion zu einem Engagement für Frieden auf, auch von der Bibel her. Ich glaube eigentlich, in allen Reli­ gionen gibt es die Tendenz zur Friedensförderung, doch es gibt wohl auch immer konfliktorientierte Gruppierungen. Und natürlich kam es im Verlauf der Geschichte auch oft vor, dass Religionen selbst Konflikte verursachten. Laurent Goetschel: Zu Religion und Krieg gibt es ja verschiedene Sichtweisen: Es gibt Personen, die sagen, dass Religionen Heil bringen und man mehr Religion bräuchte zur besseren Lösung von Konflikten. Und dann gibt es andere, welche die Religion als eine der grössten Ursachen für Kon­ flikte sehen. Beide Extrempositionen sind aus meiner Sicht Unsinn. Religion spielt eine Rolle, sowohl als Konfliktursache als auch als Konflikt­ bearbeitungsmechanismus – aber heute nicht mehr als zum Beispiel Rohstoffe oder politische Parteien. Wichtig scheint es mir hier auch, zwei Aspekte der Religion zu trennen: die ethische Ebene und die Ebene der Macht. Wenn Religionen als Ursache zu Konflikten beitragen, ist es oft so, dass die Machtdimension dabei eine zentrale Rolle spielt. Und es gibt auch Fälle, in welchen die Religion für Machtansprüche instrumentalisiert wird – ohne dass sie die eigentliche Ursache der Auseinandersetzung ist. Andererseits können Religionen wie gesagt aber auch bei der Lösung von Konflikten eine grosse Rolle spielen. Unter anderem deswegen, weil es oft die religiösen Akteure sind, die als Letzte mit den Konfliktpart­ nern noch auf positive Beziehungen zurückgreifen können und so einen wichtigen Beitrag zum Dialog leisten. Herr Bühler, Sie sprachen vorhin im Zusammen- hang mit den christlichen Hilfswerken das «Nord-Süd-Gefälle» an. Welche Rolle spielt für Sie die Gerechtigkeit in Bezug auf den Frieden? Pierre Bühler: Die ideale Vision ist natürlich, dass Frieden und Gerechtigkeit beide erfüllt sind. Ich denke, dass dabei die Wahrung der Menschen­ rechte eine entscheidende Rolle spielt, weil sie sowohl für Gerechtigkeit als auch für Frieden stehen. Allerdings ist der Zusammenhang zwi­ schen Frieden und Gerechtigkeit komplex. Das Erzwingen von Gerechtigkeit kann beispielsweise den Frieden gefährden, und umgekehrt. Laurent Goetschel: Langfristig denke ich, dass es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben kann. Kurzfristig ist dieser Zusammenhang allerdings viel komplexer. Es stellen sich dann Fragen wie: Ist kurzfristiger Frieden erstrebenswert, wenn er teilweise ungerechte Regelungen mit sich bringt? Dazu kommt, dass es verschiedene Dimensionen von Gerechtigkeit gibt, was natürlich das Ganze nicht einfacher macht. Wie sehen Sie die Rolle der Schweiz im Welt­ frieden? Heizen wir Konflikte an oder leisten wir «gute Arbeit»? Pierre Bühler: Es gibt Beispiele in beide Rich­ tungen. Die Direktion für Entwicklung und Zusam«Ich glaube eigentlich, in allen Religionen gibt es die Tendenz zur Friedensförderung.» Pierre Bühler ©Adrian Hauser Pierre Bühler

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