ENSEMBLE Nr. / N° 38 - Mai 2019

18 Fokus —– ENSEMBLE 2019/38 Katharina K.*, 57, lebt seit 13 Jahren von der Sozialhilfe. Seit damals kämpft die allein- erziehende Mutter darum, sich aus der Abhängigkeit herauszuwinden. Sie hat dafür alles getan und gibt auch jetzt nicht auf. Von Susanne Thomann «Das Wichtigste für mich ist, unabhängig zu wer­ den», sagt Katharina. Sie meint es ernst, das zeigt ihre ganze Haltung während unseres Gesprächs. Sie ist intelligent und kennt ihre Rechte. Sie tut alles, was in ihrer Macht steht. In die Abhängigkeit der Sozialhilfe ist die heute 57-Jährige gerutscht, als sie 1998 ihren Sohn ge­ boren hat, mitten in der Wirtschaftskrise. Bei einer Umorganisation verlor die alleinerziehende Mutter in der Folge ihren Job als kaufmännische Angestell­ te. Seit 2006 bezieht sie Sozialhilfe. Ihr Wunsch, als junge Mutter 50 Prozent zu arbeiten, ging nicht in Erfüllung, trotz Hunderter von Bewerbungen. Sie habe sich mit Mini-Jobs einigermassen über Wasser gehalten, erzählt sie. «Es gibt fast nichts, was ich nicht getan habe.» Zeitungen austragen, Call-Cen­ ter, vor allem Putz-Jobs. 17-stöckige Treppenhäuser reinigen. Diese körperlich anstrengende Arbeit hat gesundheitliche Schäden hinterlassen. Die Hüfte schmerzt. Katharina hat ein Keilkissen ins Café mit­ gebracht. Nie aufgeben Die Mini-Jobs hätten sie auch wirtschaftlich ins Abseits geführt, erzählt Katharina. Sie sei von ihrem angestammten Beruf weggedriftet, habe den Anschluss verloren. Mit einem Auffrischungs­ kurs wäre sie zwar schnell wieder auf dem aktu­ ellsten Stand gewesen, aber niemand habe eine alleinerziehende Wiedereinsteigerin gewollt. Aufgeben ist für die 57-Jährige allerdings keine Option. Sie strebt derzeit das Fernstudium zur medizinischen Sekretärin an, ist im Moment aber noch auf der Suche nach einer Finanzierung. Das meiste Fachliche sei ihr bekannt, sagt sie. Nur die medizinische Terminologie sei neu. Ihre Hoffnung liegt beim Stellennetz, das der Ausbildner den Stu­ dienabgängern zur Verfügung stellt. Einsatz für die Schwächsten Sie engagiert sich bei Caritas für Menschen, die in der Schweiz Asyl erhalten haben und sich nun zurechtfinden müssen. Es ist freiwillige Arbeit. Seit September bekommt sie monatlich 100 Franken Integrationszulage dafür, weil die Villa Stucki ihre Arbeit als deutsche Konversation für anerkannte Flüchtlinge bestätigt. Um ihre Kompetenz zu er­ höhen, hat sie den Erwachsenenbildner 1 gemacht. Katharina K. lebt mit dem Existenzminimum von 977 Franken im Monat. Für Wohnungsmiete be­ kommt sie 900 Franken. Als ihre Wohnung reno­ R E V I S I O N S O Z I A L H I L F E G E S E T Z Einfach nicht aufgeben A B S T I M M U N G S O Z I A L H I L F E G E S E T Z Für den Volksvorschlag Am 19. Mai stimmen die bernischen Stimmbe­ rechtigten über das revidierte Sozialhilfegesetz ab. Die Landeskirchen des Kantons Bern sowie die jüdischen Gemeinden Bern und Biel, gemein­ sam vertreten in der Interkonfessionellen Arbeitsgruppe Sozialhilfe (IKAS), stellen sich klar gegen die vom Grossen Rat beschlossene Revi­ sion und setzen sich für den Volksvorschlag ein. Denn mit der regierungsrätlichen Vorlage würde sich die Situation der Sozialhilfebeziehenden im Kanton Bern deutlich verschlechtern. Der Grund­ bedarf in der Sozialhilfe ist wissenschaftlich er­ rechnet und liegt im Kanton Bern für eine Einzel­ person mit 977 Franken im Monat bereits heute unter den Richtlinien der Schweizerischen Kon­ ferenz für Sozialhilfe (SKOS). Neu würde eine al­ lein lebende Person für ihren Grundbedarf pro Monat nur noch 907 Franken erhalten. Vom Grundbedarf müssen Sozialhilfebeziehende mit Ausnahme der Wohn- und Gesundheitskosten ihren gesamten Lebensunterhalt wie Ernährung, Kleidung oder Strom finanzieren. Der reduzierte Ansatz würde hierzu kaum ausreichen. Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solo­ thurn organisieren sich gemeinsam mit den an­ deren Landeskirchen sowie der Interessen­ gemeinschaft jüdischer Gemeinden in der Interkonfessionellen Konferenz IKK. Die IKK koordiniert Themen, bei denen ein gemeinsames Interesse besteht, und bezieht dazu insbesondere gegenüber dem Staat Stellung. Die IKAS ist eine Arbeitsgruppe der IKK zur Sozialhilfe, in der die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn eben­ falls Einsitz haben. Weitere Infos: www.refbejuso.ch > News

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