ENSEMBLE Nr. / N° 39 - Juni / juin 2019

10 Dossier —– ENSEMBLE 2019/39 DAS GOTTESBILD WIRD NICHT AUF MORGEN VIRTUELL INTERVIEW L’ IMAGE DE DIEU À L’ÈRE DU NUMÉRIQUE INTERVIEW Für die Kirche muss die Digitalisierung mehr bedeuten, als Informationen via Internet zu verbreiten. Viel mehr – und anderes! Thomas Schlag, Professor für Praktische Theo- logie an der Universität Zürich und Leiter einer Forschungsgemeinschaft zur Digitali- sierung, plädiert dafür, Kirchenleute umfassend in digitaler und theologischer Kompetenz zu schulen. Von Gerlind Martin Ensemble: Was soll ich mir konkret vorstellen, wenn von «Digitalisierung und Kirche» die Rede ist? Thomas Schlag: In der Anfangsphase, als Reli­ gion online ging, wurde die Digitalisierung ver­ standen als eine neue Form, zu informieren und viel mehr Menschen zu erreichen als bis anhin. Seit Ende der 90er-Jahre passiert im Netz etwas Neues: Religion bekommt selbst eine neue media­ le Gestalt. Aus «Consumern» werden Internetuser zunehmend zu «Prosumern», zu Schöpferinnen und Schöpfern von Religion. Menschen nutzen das Internet und die Vielfalt von Netzwerken für ihre eigenen Glaubensvorstellungen. Etwa das Computerspiel «Second Life», Trauerforen, Gottes­ dienste, Seelsorge im Internet. Menschen disku­ tieren offen in neuen Netzwerken, oft nicht mehr im klassischen kirchlichen Rahmen. Wird die von der Kirche mit ihren Angeboten vermittelte und gestiftete Gemeinschaft damit überflüssig? Das Bedürfnis nach Annahme, Segen, Resonanz ist nach wie vor gross. Das Beispiel des Segens­ roboters der Hessischen Landeskirche von 2017 zeigt: Manche Menschen brauchen dafür kein reales Gegenüber mehr. Man sagt dem Segens­ roboter, was man braucht, und er spuckt ein indi­ viduelles Segenswort aus, gesteuert von einem Zufallsgenerator. Von 2000 Befragten sagte die Hälfte, der Segensroboter habe sie nicht kaltge­ lassen, das persönliche Segenswort sei eindrück­ lich, bewegend. Wen ersetzen solche Roboter: Pfarrpersonen? Gott? Das Netz wird für Fragen von Religion und Glauben genutzt. Religion verschwindet nicht. Doch Studien beispielsweise bezüglich Robotern in japanischen Pflegeheimen zeigen, dass Men­ schen zu humanoiden Robotern eine Beziehung entwickeln. Die Interaktionen Maschine – Mensch werden besser, Roboter mit immer menschlicheren Tagung im September Im Mai hat das Zentrum für Kirchenentwicklung (ZKE) der Theo­ logischen Fakultät in Zürich unter der Leitung von Prof. Dr. Tho­ mas Schlag den Think-Tank «Kirche und Digitalisierung» initiiert, eine Plattform für Vernetzung und Austausch. Tagungen und Weiterbildungen sollen entwickelt und die Möglichkeiten von kirchlichen Digitalisierungsstrategien sondiert werden. Am 14. September 2019 findet die erste Tagung «Digitalisierung und Kirche» statt. www.theologie.uzh.ch > Theologie > Forschung > Praktische Theologie > Zentrum für Kirchenentwicklung «Seit Ende der 90er-Jahre passiert im Netz etwas Neues: Religion bekommt selbst eine neue mediale Gestalt.»

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