ENSEMBLE Nr. / N° 39 - Juni / juin 2019

20 Fokus —– ENSEMBLE 2019/39 leiter». Deshalb ist Patrick Gläser denn auch zu 49  Prozent als Kirchenmusiker angestellt, wäre es mehr, könnte man dies nicht mehr als «nebenberuf­ lich» bezeichnen. Neben dieser Teilzeitanstellung tingelt er mit dem «Orgel rockt»-Projekt durch die Welt und betreibt daneben sein eigenes Tonstudio, die «Soundmanufaktur». Wandernde Mission «Ich spiele überall dort, wo ich eingeladen werde», erklärt Patrick Gläser, der gerne auch Konzerte in Schweizer Kirchgemeinden spielt, wie diesen Abend hier in Niederbipp oder am Tag darauf in Oberdiessbach. Die Bedingungen für sein Engage­ ment sind sehr kulant: Er verlangt einen Teil der am Abend gesammelten Kollekte – in der Regel 80 Prozent – und ist dankbar für Kost und Logis. Auch das ist für ihn Teil des Projekts: Herumreisen, im­ mer wieder neuen Menschen begegnen, auf den unterschiedlichsten Orgeln spielen. Patrick Gläser befindet sich sozusagen auf wandernder Mission, einer Mission für die Öffnung des Musikverständ­ nisses in den alten Kirchengemäuern. Obwohl er in Kirchenkreisen teilweise auch auf Widerstand stösst. Doch das ist eine zu vernachlässigende Grös­ se, denn: Innerhalb von zehn Jahren gab er rund 300 Konzerte, an denen im Schnitt je 200 Leute anwesend waren. Die Kraft des Augenblicks Für Konzerte und Vorbereitung hat er eine ganz eigene Technik: Er studiert keine Noten der Stücke, schreibt keine auf, sondern verlässt sich ganz auf sein Gehör und sein Musikgefühl. «Die Musik soll im Moment entstehen», ist Patrick Gläser über­ zeugt. Dass sein Projekt so gut funktioniert, erklärt Patrick Gläser damit, dass er die Leute mit Alltags­ musik abholt, die oft mit deren eigener Biografie verknüpft ist. Er wehrt sich auch gegen eine Schub­ ladisierung in vordefinierte Musiksparten, denn: «Unterhaltungsmusik kann auch ernst sein – und ernste Musik darf auch unterhalten!» Metallica ja, aber auf der Orgel in einer Kirche? Patrick Gläser tut es – und das nun seit bald zehn Jahren mit grossem Erfolg. ENSEMBLE traf ihn Anfang Mai vor einem Konzert in Niederbipp. Von Adrian Hauser Patrick Gläser rockt die Orgel. Und das im kommen­ den November seit genau zehn Jahren. Die Idee entstand eigentlich mehr oder weniger aus einer Art Jux. Er wollte auf eine Anfrage absagen, bei deren Setting es ihm nicht recht wohl war, und sagte dem Auftraggeber – einer katholischen Kir­ che in Deutschland – dass er kommen würde, wenn er populäre Musik spielen dürfe statt klassische. Zu seinem eigenen Erstaunen wurde diese Idee sofort positiv aufgenommen und die Pfeifen begannen unter Patrick Gläsers Fingern zu tanzen. Kirchenmusikalische Ausbildung Patrick Gläser aus Öhringen in der Diözese Rotten­ burg-Stuttgart in Baden-Württemberg machte ur­ sprünglich eine Lehre als Betriebswirt mit Schwer­ punkt Marketing. Er war vom Elternhaus schon immer kirchlich geprägt und sozialisiert, hatte ab sieben Jahren Klavierunterricht, das Orgelspielen hat er sich selbst beigebracht. Und so kam es, dass er nach seiner Erstausbildung noch eine zweijäh­ rige Ausbildung in Kirchenmusik machte – «den C-Kurs», wie er betont. Der C-Kurs ist gemäss dem deutschen Amt für Kirchenmusik «eine breit an­ gelegte kirchenmusikalische Ausbildung für den nebenberuflichen Dienst als Organist und Chor­ O R G E L R O C K T Tanzende Pfeifen ©Adrian Hauser ©Adrian Hauser Patrick Gläser, Einspielen und Stimmen der Orgel. Patrick Gläser, jouer et accorder l’orgue.

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