ENSEMBLE Nr. / N° 40 - Juli / Juillet 2019

17 ENSEMBLE 2019/40 —– Dossier P E N S I O N I E R U N G Mit der Kirche auf Kurs Die geleiteten Gespräche «gehen in die Tiefe und öffnen Horizonte, ohne die Teilnehmenden zu überfordern». Die bisher jüngste Teilnehmerin war 57-jährig, nur zwei Personen waren bereits pensioniert. Fürs nächste Jahr denkt Eve Jung deshalb darüber nach, der Gestaltung der letzten Arbeitsjahre, dem Ab­ schliessen des Berufslebens und dem Abschied­ nehmen von Kolleginnen und Kollegen, mehr Ge­ wicht zu geben. Zudem möchte sie einen Abend den Plänen und Projekten für die Zeit nach der Pensionierung widmen. Mit Erfahrungsaustausch, Tipps und Hinweisen für eine gelingende Rea­ lisierung von Ideen. «Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden freut sich auf die Pensionierung», sagt sie. Sie hat den Eindruck, dass «viele nicht mehr mögen, genug haben von den Veränderungen und Ansprüchen im Beruf». Einigen macht der Übergang Angst, «sie wissen nicht, was sie ohne ihre gewohnte Arbeit tun sollen». Verschiedentlich erzählen Teilneh­ mende von ihren Vorhaben: durch die Schweiz pilgern, in die Freiwilligenarbeit einsteigen, Hobbys wieder aufnehmen, kreative Talente ent­ decken, Verpasstes aufholen. Bisher haben gut 30 Personen am Kurs teilgenommen, viele aus Münsingen, etliche aus Nachbargemeinden. Ge­ mäss Eve Jung engagieren sich einige nun als Frei­ willige in der Kirchgemeinde. Der 6-teilige «Kurs auf P*» richtet sich an Frauen und Männer kurz vor der Pensionie- rung. Im Blick hat Eve Jung den Übergang: vom Alltag, in dem Beruf und Familie die Tätigkeiten vorgeben – hinüber in einen Alltag, in dem Pensionierte selber über ihr Tun und Lassen bestimmen können. «Dies ist ein wichtiger Übergang im Leben eines Men- schen», sagt die Sozialdiakonin der Kirchge- meinde Münsingen. Von Gerlind Martin Den Übergang vom Berufs- und Familienleben in die Pensionierung hält Eve Jung für ebenso wich­ tig wie die Übergänge, welche die Kirche mit Tau­ fe, Konfirmation, Hochzeit, Beerdigung begleitet. Doch diesen Übergang begleite die Kirche zu sel­ ten, findet sie. Geht es nach Eve Jung, soll es in Münsingen bald einen reformierten Gottesdienst zur Pensionierung geben, ähnlich der «Segens­ feier zum Übergang ins Pensionsalter» der katho­ lischen Kirche Region Bern. «Grundsätzlich», so Eve Jung, «ist es eine interessante und wichtige Aufgabe für die Kirche, Menschen bei Übergängen zu begleiten.» 2016 entwickelte sie zusammen mit Pfarrerin Verena Schär und dem pensionierten Seelsorger Peter Willener das Angebot «Wir nehmen Kurs auf P*». 2017 starteten sie den ersten Kurs mit 17 Teil­ nehmenden. Neben Gastreferierenden und der Pastoralassistentin Judith von Ah wirken alle drei mit; Eve Jung ist verantwortlich für den inhaltli­ chen roten Faden. «Kurs auf P*» soll beim Über­ gang in die neue Lebensphase stärken und ermu­ tigen. Öfters hört Eve Jung die Befürchtung, im Kurs werde missioniert, gebetet, gesungen. «Das tun wir nicht», sagt die Sozialdiakonin, «aber natürlich hat der Kurs einen kirchlichen Touch.» Vier Referierende kommen von der reformierten und der katholischen Kirchgemeinde, entspre­ chend spüren die Teilnehmenden deren Haltung. In die Tiefe gehen und Horizonte öffnen Jeder Kursabend ist einem Lebensthema gewid­ met: Arbeit, Geld, Körper, Beziehungen, Glück, Seele. Die Referierenden informieren und regen an, die Teilnehmenden vertiefen die Themen in Einzelarbeit oder in Gruppen. Im Plenum disku­ tieren sie Erkenntnisse und tauschen sich aus. Als «sorgfältig» charakterisiert die Kursleiterin den Umgang untereinander und die Diskussionskultur. © Keystone /Daniel Kroells Auch nach der Pensionierung am Ball bleiben. Rester dans le coup à l’heure de la retraite.

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