ENSEMBLE Nr. / N° 40 - Juli / Juillet 2019

5 ENSEMBLE 2019/40 —– Dossier frage nicht zurechtkommen, in Armut leben, bildungsfern, sozial isoliert sind oder körperlich nicht mithalten können, bleiben im Abseits. Versöhnlich mit dem Lebensende? Mit wachsendem Unbehagen blicken wir zum letzten Lebensabschnitt. Das gebrechliche Lebens­ alter möchten wir am liebsten weit wegschieben. Jetzt erwartet uns die wahrscheinlich herausfor­ derndste Lebensphase. Sie ist geprägt von Ver­ änderungen: Körperliche Beeinträchtigungen, Krankheit, Verengung des sozialen Beziehungs­ netzes durch Verluste von Angehörigen und Freunden, der Verlust des sozialen Status, eine Neudefinition der eigenen Rollen, gegebenenfalls finanzielle Sorgen und eine Entfremdung des eige­ nen Ichs von den gesellschaftlichen Wandlungs­ prozessen erwarten uns. Wird es gelingen, unser Leben unter diesen Umständen als sinnvoll zu er­ leben und zufrieden zu sein? Schaffen wir es, uns versöhnlich mit dem eigenen Lebensende und dem Tod auseinanderzusetzen? Im reifen Erwachsenenalter steht die Lebens­ aufgabe der Ich-Integration im Vordergrund: Da­ zu gehören der Übergang von einer eher materia­ listisch und rationalistisch definierten Weltsicht hin zu einer kosmischen, transzendenzbezogenen Lebensperspektive, das Rückblicken und sein eige­ nes Leben als stimmig zu erfahren, und die Ein­ maligkeit und Endlichkeit des Lebens anzuneh­ men. Nochmals sind alle Lebenskräfte gefordert und unser Lebensmut gefragt. Es mag ein Trost sein, dass aufgrund der demografischen Entwick­ lung bis 2045 ungefähr 30% aller Menschen in der Schweiz sich diesen Herausforderungen stellen werden. Auch die Zahl der Hundertjährigen wird sprunghaft steigen: 2040 wird es in der Schweiz 13 000 Personen im Alter von 100 Jahren geben; dies entspricht einer Verzehnfachung zu 2010. Und mit einem Seitenblick auf die auseinanderklaffen­ de Armutsschere besteht zumindest hier Gleich­ berechtigung: Jeder Mensch ist einem Alterungs­ prozess unterworfen, wenn auch nicht alle gleich alt werden. Gelingendes Altern Das Mobilisieren der persönlichen Kräfte und in­ dividuellen Ressourcen stellt einen wichtigen Faktor dar, um das fragile Alter «gut» oder «ge­ lingend» zu vollziehen. Gut oder gesund altern heisst nicht zwingend Abwesenheit von Krankheit. Gesund altern bedeutet, dass Menschen ihre funk­ tionalen Fähigkeiten stabilisieren können, dass sie «tun und sind, was man Grund hat, wertzu­ schätzen» (WHO). Zwei Drittel der Menschen 85+ bezeichnen ihren Gesundheitszustand als gut bis ausgezeichnet, auch wenn sie nicht schmerzfrei sind (BAG 2019). Die Lebenszufriedenheit im hohen Alter wird mehrheitlich als hoch angegeben. Ziele und Ansprüche werden häufig an die bestehenden Möglichkeiten angepasst, weshalb trotz körper­ lichem Abbau psychisches Wohlbefinden empfun­ den wird. Aus der gerontologischen Altersforschung kennt man Faktoren, die das gelingende Alter unterstützen. Dazu gehören: sich selber weniger Der Blick auf das eigene Leben verändert sich. La vision de sa propre vie change. © Keystone /CARO /Thomas Ruffer

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