ENSEMBLE Nr. / N° 42 - Oktober / Octobre 2019

10 Dossier —– ENSEMBLE 2019/42 Ida Stadler ist Psycho- und Systemtherapeutin und seit rund zwanzig Jahren bei der öku- menischen Beratungsstelle für Ehe-, Partner- schafts- und Familienfragen in Biel tätig. Sie erzählt von ihrer Arbeit und dem Wandel in diesen Jahren. Von Alena Lea Bucher Was für Ausbildungen haben Sie gemacht? Ursprünglich war ich Sekundarlehrerin mit sprachlicher Richtung, danach studierte ich an der Universität in Fribourg Psychologie und Päd­ agogik und absolvierte meine erste tiefenpsycho­ logische psychotherapeutische Ausbildung am Alfred Adler Institut. Als ich meine Stelle an der ökumenischen Beratungsstelle für Ehe, Partner­ schaft und Familie 1999 in Biel antrat, erweiterte ich meine Kenntnisse durch eine 4-jährige Wei­ terbildung in systemischer Paar- und Familien­ therapie. Seither habe ich einige Weiterbildungen genossen. Aus welchen Gründen kommen die meisten Paare zu Ihnen? Viele haben Kommunikationsprobleme. Sie können nicht mehr konstruktiv miteinander re­ den, das führt zu Auseinandersetzungen mit Ver­ letzungen, ohne echte Lösungsansätze. Dann gibt es auch Paare, die sich entfremdet haben. Weite­ re Anlässe für Beratung sind Trennungswünsche, Uneinigkeit in der Erziehung, anspruchsvolle Situationen in der Patchworkfamilie oder eine (psychische) Erkrankung eines Partners. Gibt es Situationen, in denen Sie nicht helfen können? Wenn sich z. B. ein Paar entfremdet hat, wer­ den in der Beratung möglichst viele Ressourcen aktiviert, um die Beziehung zu erhalten. Kommt mindestens einer der beiden Partner im Verlaufe dieses Prozesses an einen Punkt, an dem er oder sie die Beziehung nicht mehr weiterführen möch­ te, bedeutet dies das Ende der Partnerschaft. Zur Basis gehört, dass sich beide freiwillig eingeben. Diese Entscheidung liegt nicht im Einflussbereich der Beratenden. Gibt es Situationen in denen Sie früher nicht helfen konnten, jetzt aber schon? Das Wissen und Können wird durch die wach­ sende Erfahrung mit Paar- und Familienfragen erweitert. Kontinuierliche Auseinandersetzungen mit der Praxisarbeit z. B. durch Weiterbildungen, Super- und Intervisionen tragen dazu bei, die Be­ ratungssitzungen zu verbessern. So kann ich heute z. B. viel schneller erkennen, wo sich die zentralen wunden Punkte in einer Beziehung befinden und praktische Möglichkeiten vorschlagen, wie damit umgegangen werden kann. In den letzten zwan­ zig Jahren hat sich auch die Methodik sehr gewan­ delt. Als ich mit meiner Psychotherapieausbildung begonnen habe, stellte man als Erstes eine Diag­ nose: Der Mensch leidet an einer bestimmten psy­ chischen Störung, die behoben werden muss. Da dieses Verhalten jedoch heute eher hinderlich ist (z. B. in der konstruktiven Gestaltung einer Bezie­ hung), soll es in mehreren Schritten verändert werden. Diese (hypno-)systemische Vorgehenswei­ se fokussiert anstelle des störungsspezifischen oder defizitorientierten Vorgehens das bereits jetzt Funktionierende und die gewünschten Ver­ änderungen. Nimmt das Bedürfnis an Paartherapie eher zu oder ab? In den letzten zwanzig Jahren ist das Bedürfnis an Paartherapie etwa gleich geblieben, aber die «DIE METHODIK HAT SICH SEHR GEWANDELT » INTERVIEW «LES MÉTHODES ONT BEAUCOUP CHANGÉ » INTERVIEW

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