ENSEMBLE Nr. / N° 43 - November / Novembre 2019

11 ENSEMBLE 2019/43 —– Dossier Oft ist die Aufmerksamkeit schon da, etwa durch bestimmte Plakate: Wenn man eine Burka auf ein Plakat setzt, hat man Aufmerksamkeit. Dann lautet die Frage, wie man diesen Diskurs brechen kann. Wie können wir nicht über Burkas sprechen, sondern über individuelle Grund­ freiheiten wie die Religionsfreiheit oder die Mei­ nungsfreiheit – also, wie können wir den Diskurs auf die Freiheit lenken? Letztlich geht es darum, dass Leute selbst entscheiden können, wie sie sich in der Öffentlichkeit kleiden wollen. Wieso haben rechtspopulistische Parteien einen solchen Zulauf? An der Tagung Joint Future wurden verschie­ dene Gründe angesprochen. Im Vortrag über die historischen Hintergründe der Schweiz von Damir Skenderovic wurde deutlich, dass die Schweiz eine Vorläuferin war von dem, was wir heute als Rechts­ populismus bezeichnen. Einerseits sind Ängste da, die bewirtschaftet werden. Ängste, die zum Teil real sind: Wir sprachen von zunehmenden Un­ gleichheiten. Gleichzeitig sprachen wir davon, dass der Rechtspopulismus oft auch Menschen an­ spricht, denen es nicht per se schlecht geht, die aber Angst haben, ihren Wohlstand oder gewisse Privilegien zu verlieren. Zum Beispiel beim Bürger­ recht: Wenn mehr Personen abstimmen können, hat meine Stimme weniger Gewicht, das heisst, ich muss die politische Macht teilen. Man muss aber auch sehen, dass alles, was zur rechtspopu­ listischen Welle geführt hat, weltweit auch starke Gegenbewegungen hervorgerufen hat, wie etwa den Frauenstreik und die Klimabewegung. Wie kann man gegen Rechtspopulismus vorgehen? An der Tagung wollte ich auf die Frage des Framings aufmerksam machen. In den letzten fast dreissig Jahren wurde der politische Diskurs fast ausschliesslich von der SVP vorgegeben. Auch heute noch: Sie lanciert eine Initiative, über welche dann gesprochen werden muss, beispiels­ weise das Burka-Verbot oder die Masseneinwan­ Was ist Framing? Framing kommt vom englischen Wort «Frame» und bedeutet Rahmen. Es soll ausdrücken, dass die Auswahl von bestimmten Worten bei einem Thema einen Rahmen vorgibt, ein Spielfeld, auf dem eine Debatte stattfindet. Wörter können negativ oder positiv behaftet sein. Politikerin­ nen und Politiker spielen oft damit und beein­ flussen unsere Gefühle. Das Wort «Flüchtlings­ welle» schafft das Bild eines Tsunami, der uns zu überrollen droht. Bei «asylsuchenden Men­ schen» hingegen denken wir an Menschen, die Schutz suchen. Netzwerk Joint Future Dieses Jahr feiert die Fachstelle Migration ihr 40-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass wid­ mete sich das Jahrestreffen des Netzwerks Joint Future dem Thema «Rechtspopulismus im Auf­ wind – sinnvolles kirchliches Engagement in schwierigen Zeiten». An der Podiumsdiskussion beteiligt waren Matthias Zeindler (Titularpro­ fessor für Dogmatik und Leiter des Bereichs Theologie bei Refbejuso), Damir Skenderovic (Migrationsforschung, Professor für Zeitge­ schichte), Stefan Manser-Egli (Operation Libero) und Vithyaah Subramaniam (Integrations­ praxis, Sozialwissenschaften). Am Nachmittag wurde über die Neustrukturierung des Asylver­ fahrens informiert. Infos zum Netzwerk Joint Future und Bei­ träge der Tagung: www.refbejuso.ch/netzwerk derung, oder nun die Kündigungsinitiative. Es wird gar nicht genau hingeschaut, ob das aktuell wirklich die grössten Probleme sind, über die wir politisieren sollten. Unser Ziel war es deshalb im­ mer, diese Diskurshoheit zu brechen. Bei der Durchsetzungsinitiative wollten wir beispielswei­ se über den Rechtsstaat und Grundrechte spre­ chen und nicht über «kriminelle Ausländerinnen und Ausländer». Wo sehen Sie den Platz der Landeskirchen in der Politik? An der Tagung zeigte sich, dass man Werte aus der Verfassung, aus der Philosophie, aber auch aus der Bibel ableiten kann. Am Schluss geht es um Werte und Haltungen, die man vertritt und für die man politisch einsteht. Man sieht beispiels­ weise, dass die Kirche im Migrations- und Asyl­ bereich eine wichtige Rolle einnimmt – gerade auch dort, wo es der Staat nicht tut. Wie kann Kirche Rechtspopulismus entgegen­ wirken? Es gibt wohl kein allgemeingültiges Rezept. An der Podiumsdiskussion wurde die Frage auf­ geworfen, ob es manchmal sinnvoll sein könnte, gewisse Personen oder Positionen auszuschlies­ sen. Doch das ist in einer Landeskirche wohl ge­ nauso schwierig wie in der Demokratie, weil grundsätzlich alle mitreden und mitbestimmen können. Gerade beim Thema Rechtspopulismus bin ich aber überzeugt, dass nichts daran vorbei­ führt, auch als Kirche klar Position zu beziehen. Zu zeigen, für welche Werte die Kirche steht. Das bedeutet, hinzustehen und sich auf Debatten ein­ zulassen, aber auch, sich klar zu positionieren und damit auch zu exponieren.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=