ENSEMBLE Nr. / N° 43 - November / Novembre 2019

22 Fokus —– ENSEMBLE 2019/43 reicht, ihn durch die Befragungsphase begleitet und nach seinem psychischen Taucher zu Disziplin und Durchhalten ermuntert. Mit Erfolg: Er bekam den Status F (vorläufig aufgenommen) und nutzte seine Chance. Aus dem «offenen Haus» in die Fremde Fremden einen Willkommensort bieten, Geflüch­ teten den Rücken stärken. Elisabeth Stucki ist seit Jahren zuversichtlich unterwegs; das hängt mit ihrer breiten fachlichen Vernetzung und den vie­ len Freiwilligen zusammen, mit denen gemein­ sam sie gleiche Ziele verfolgt. Und wohl auch mit ihrer Biografie: Als Älteste von vier Geschwistern lernte sie früh, Verantwortung zu übernehmen und «durchzuhalten». Prägend auch das «offene Haus» der Familie, mit Verwandten und Gästen aus aller Welt. Nicht willkommen sein, sich fremd und über­ fordert fühlen: Das erlebte die damals schon aus­ landerfahrene 25-jährige Krankenschwester im multikulturellen England. Mit «unzulänglichem» Schulenglisch war sie gefordert, «strikte Vorgaben bei unmöglichen Rahmenbedingungen» zu er­ füllen. «Gastfreundschaft anbieten» Am Anfang ihres Engagements im Asylbereich stand 2008/2009 die Einquartierung von Geflüch­ teten in der unterirdischen Zivilschutzanlage im Hochfeld. Da war Elisabeth Stucki Kirchgemeinde­ rätin und bestrebt, mit andern zusammen «zu helfen, Gastfreundschaft anzubieten». Als 2012 erneut Geflüchtete in dieser Anlage untergebracht wurden, war sie als Freiwillige wieder zur Stelle. Von Rat und Sozialarbeitenden unterstützt, hat die Gruppe im Kirchgemeindehaus einen Ort ge­ schaffen, an dem mittlerweile heimisch ge­ wordene Geflüchtete aus Bern und Umgebung willkommen sind: sei es zu Kaffee, Tee und Ku­ chen, zu Gesprächen und Austausch mit Bewoh­ nerinnen und Bewohnern des Quartiers, zum an­ schliessenden Deutsch-Lernfoyer mit Freiwilligen oder diversen andern Angeboten. «Wir dachten, es würden keine Leute mehr kommen, als das Zentrum 2016 geschlossen wur­ de», sagt Elisabeth Stucki. Doch offensichtlich trägt der Treffpunkt. An einem Montagnachmittag Ende Juli, mitten in den Sommerferien, sitzen zahlreiche Erwachsene an den Tischen, tollen Kinder durch Foyer und Garten. Schnell kommt man ins Gespräch, und erfährt ungefragt, wie hochgeschätzt Elisabeth Stucki ist. Elisabeth Stucki hat im Gesundheits- und Bildungsbereich gearbeitet, war Kirchge- meinderätin und engagiert sich auch als Pensionierte zusammen mit Freiwilligen für Geflüchtete. Ihre Anliegen tönen einfach: Geflüchteten den Rücken stärken, ihnen in der Kirchgemeinde Paulus Bern einen Willkommensort bieten. Von Gerlind Martin «Das Formulieren ist mir schwergefallen», sagt Elisabeth Stucki, «ich musste mehrere Anläufe nehmen.» Ihre Handbewegung ist eindeutig: Zer­ knüllt hat sie die papierenen Entwürfe, die nicht passten. Elisabeth Stucki sitzt im Gärtli des Kirch­ gemeindehauses. Zusammen mit einem grossen Publikum erwartet sie an diesem lauschigen Som­ merabend die Open-Air-Aufführung des Films «Gundermann» – und noch beschäftigt sie ihre eben eingereichte Vernehmlassungs-Antwort zur «internationalen Zusammenarbeit 2021–2024» zu­ handen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Willkür und Wirksamkeit Geschrieben hat Elisabeth Stucki immer wieder: zum Beispiel Rekurse von geflüchteten Personen an die Behörden. Sie erlebte «Willkür, Familien in Horrorsituationen – alles schwer erträglich», sie erlebte «Unterstützung und Wirksamkeit». So hat sie zusammen mit einem jungen Mann dessen Fluchtgeschichte erarbeitet, unterstützt von der Rechtsberatungsstelle ein neues Gesuch einge­ H E L F E N U N D G A S T F R E U N D S C H A F T A N B I E T E N Frau mit Durchhaltevermögen ©Alena Lea Bucher Elisabeth Stucki

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=