ENSEMBLE Nr. / N° 43 - November / Novembre 2019

30 Kreuz und quer —– ENSEMBLE 2019/43 Die diesjährige HEKS-Sammlung stellt die Situation der Adivasi, der Urbevölkerung Indiens, in den Fokus. Das Tamil Nadu People’s Forum for Land Rights (TPFLR) unter- stützt mit Hilfe von HEKS die Adivasi im Kampf um ihre Heimat; denn der Wald, ihr Lebensraum, ist zunehmend bedroht von Kaffeeplantagen und der Holzindustrie. Isabelle Knobel * – HEKS hat zusammen mit dem TPFLR bereits vielen Familien dabei geholfen, einen Landtitel für den von ihnen genutzten Waldabschnitt zu erhalten. Was bedeutet dieser Titel für das Leben der Familien? Ein Titel bedeutet in erster Linie die offizielle Anerkennung eines Nutzungsrechts, wie es vielen Adivasi eigentlich zustehen würde, oft aber ver­ wehrt bleibt. Dieses Recht erlaubt den Zugang zu den meisten Waldprodukten und deren Nutzung. Dies stärkt die Ernährungssicherheit und fördert das Einkommen der Adivasi. Zusätzlich ermöglicht ihnen ein Nutzungstitel den Zugang zu bestimm­ ten Regierungsprogrammen wie bspw. Unter­ stützung beim Hausbau. Es gibt einer Familie über mehrere Generationen Stabilität, da es eine lang­ fristige Planung ermöglicht und Perspektiven öffnet. Daneben möchten die Adivasi als ebenbürtige Einwohner Indiens anerkannt und respektiert wer­ den. Sie sollen die gleichen Rechte und die glei­ chen Pflichten wie die Mehrheitsgesellschaft In­ diens haben. Gleichzeitig bedarf es aber auch einer Anerkennung ihrer Kultur und Lebensweise. Welche Chancen lägen in einer vertrauensvollen Beziehung der Regierung zu den Adivasi? Man soll die Lebensweise der Adivasi zwar nicht idealisieren, doch sie ist meistens viel natur­ näher als die der indischen Mehrheitsbevölke­ rung. Flora und Fauna der indischen Wälder ha­ ben für die Adivasi eine äusserst hohe spirituelle, kulturelle wie auch wirtschaftliche Bedeutung. Da sie auch «Hüter der Wälder» genannt werden, wäre es im Sinne der indischen Gesamtbevölke­ rung sowie der Regierung, die Adivasi bei der nachhaltigen Nutzung und beim Schutz der natür­ lichen Ressourcen zu unterstützen. Ähnlich wie andere Naturvölker dieser Erde leben die Adivasi seit Jahrtausenden im Einklang mit der Natur. Ihr Verständnis und ihr Wissen zum lokalen Ökosys­ tem sind einmalig und deshalb unersetzlich. In der Adivasi-Gesellschaft von Korenkombu sind die Frauen gleichberechtigt: Wie werden sie in die Projekte miteinbezogen und was bedeutet ihre Gleichberechtigung für die Entwicklung des Dorfes? Die zeitintensiven Tätigkeiten der Adivasi be­ deuten eine hohe Arbeitsbelastung für die ganze Dorfbevölkerung. Eine Gleichberechtigung er­ laubt eine ausgeglichene und friedvolle Entwick­ lung für das gesamte Dorf sowie gleiche Entwick­ lungschancen für die künftigen Generationen. HEKS gibt die Projektarbeit bald der Partner­ organisation TPFLR ab: Was erhoffen Sie sich für die Zukunft aus dieser Projektarbeit und für die Adivasi? Ja, nach über 60 Jahren in Indien zieht sich HEKS schrittweise aus dem Land zurück. Dazu gehört auch die graduelle Übergabe der Projektverantwor­ tung an unsere Partnerorganisationen. TPFLR war seit Anbeginn eine Landrechtsbewegung, die für die Adivasi in Tamil Nadu einsteht. Wir erhoffen uns, dass TPFLR es schafft, die Adivasilangfristig bei ihrem Kampf um den Erhalt ihres Lebensraums und ihrer Traditionen zu unterstützen sowie ihre Selbstbestimmung weiter zu stärken. Wir wün­ schen uns, ähnlich wie damals Mahatma Gandhi, ein Indien, das seine Minoritäten respektiert und ein friedvolles Zusammenleben fördert. I N T E R V I E W M I T A D R I A N S C H E R L E R Hoffnung für die Urbevölkerung Indiens * Praktikantin Fachstelle OeME Der Zugang zu den Waldpro­ dukten und deren Nutzung stärken die Ernährungs­ sicherheit und fördern das Einkommen der Adivasi. L’accès aux pro- duits de la forêt et leur utilisation renforcent la sécu- rité alimentaire et favorisent la création de reve- nus des Adivasis. ©zVg

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