ENSEMBLE Nr. / N° 43 - November / Novembre 2019

6 Dossier —– ENSEMBLE 2019/43 Béatrice Wertli schätzt indes die «Auseinander­ setzung» zwischen Kirche und Politik in beiden Richtungen – zum Beispiel bei Themen wie der Stellung der Frau oder der Homosexualität. «Hier kann sich die Kirche progressiver entwickeln.» Grundsätzlich wünsche sie sich eine grössere Mit­ wirkung in der Politik – nicht nur von der Kirche: «Ich schätze den politischen Diskurs mit einem möglichst breiten Spektrum von Menschen.» Konzernverantwortungsinitiative Die CVP-Politikerin befürwortet auch das Engage­ ment vieler Kirchen für die Konzernverant­ wortungsinitiative. «Es geht um den Menschen im Zentrum und um Menschenrechte, das entspricht meiner persönlichen Haltung», so Béatrice Wertli. Ihre Partei stehe in Bern der Initiative mehrheit­ lich positiv gegenüber, aber es gebe keine offiziel­ le Haltung dazu. Auch Ursula Marti befürwortet das poli­ tisch-kirchliche Engagement in Bezug auf die Initiative: «Die Kirche steht ein für Menschen, die unterdrückt oder vertrieben werden, für die Men­ schenrechte und den Schutz der Natur – die «Kovi» entspricht doch genau den Werten der Kirche! Dieses Engagement steht der Kirche gut an.» Etwas kritischer steht Kirchenratspräsident Michel Müller dem kirchlichen Engagement für die «Kovi» gegenüber: «Unser Kirchenrat hat sich nicht dazu positioniert, es gibt also keine ‹ offiziel­ le Meinung › der reformierten Kirchen Zürich. Klar, ist kirchliches Engagement für die Konzernver­ antwortungsinitiative naheliegend, weil es um Menschenrechte und Gerechtigkeit geht. Aber die konkrete Umsetzung der Initiative ist für die Kirche ein heikles Thema, das sie besser der Politik überlassen sollte.» «Selbsterhaltungsdynamik» Welche Risiken gehen mit einem politischen Engagement der Kirche einher und wie geht die Kirche mit «Macht» um? «Politisches Handeln, wie beispielsweise bei der Konzernverantwortungs­ initiative, bietet für die Akzeptanz der Kirche so­ wohl Chancen als auch Risiken», sagt Christoph Grupp und pflichtet damit den Bedenken von Mi­ chel Müller zumindest teilweise bei. «Dank ihrer Grösse ist es für die Kirche einfach, weltweit Sichtbarkeit zu erzeugen und auf die Politik positiv Einfluss zu nehmen», findet Bischof Felix Gmür. «Andererseits gibt es eine gewisse Selbsterhaltungsdynamik und die Gefahr, Macht zu missbrauchen.» Michel Müller ergänzt: «An­ sichten sollten nie mit Macht durchgesetzt wer­ den, das ist gefährlich und hat sich im Laufe der Zeit auch nicht bewährt – die Kirchen hingegen politisch ganz zum Schweigen zu bringen, hat sich ebenso wenig bewährt.» Der Pfarrer beurteilt aber die Gefahr, dass Kirchen ihre Macht missbrauchen, heute als eher gering, da Kirche und Staat gut ge­ trennt seien. Ursula Marti pflichtet ihm bei: «Früher hatte die Kirche zu viel Macht, man musste sich ihren Moralvorstellungen unterwerfen. Das ist heute zum Glück anders. Sie ist aber immer noch mäch­ tig aufgrund ihrer Grösse und weil sie für viele Menschen immer noch eine Instanz ist, auf die man hört. Es ist an der Kirche, mit dieser Macht verantwortungsvoll umzugehen und sie positiv zu nutzen.» «Ich schätze den politischen Diskurs mit einem möglichst breiten Spektrum von Menschen.» Béatrice Wertli «Ich wünsche mir von der Kirche ein sorgfältiges Abwägen ihres politischen Engagements.» Christoph Grupp ©zVg ©zVg

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