ENSEMBLE Nr. / N° 44 - Dezember / Décembre 2019

12 Dossier —– ENSEMBLE 2019/44 wird eher die Rede sein vom Heiligen Geist, von Gott, Christus. Die Suche nach dieser Einheit und unser ökologisches Engagement gründen auf der Dimension des Heiligen, das transzendent ist, aber auch immanent, tief in der Natur und in uns ver­ ankert. Aus christlicher Sicht erscheint mir der Begriff der Schöpfung sehr ergiebig, denn diese setzt einen Schöpfergott voraus und Beziehungen unter sämtlichen Wesen, die aus der Schöpfung hervorgegangen sind. Diese Sichtweise propagiert somit eine Form der Einheit zwischen Mensch, Tier und Pflanzen. Und wie unterscheiden sich Ökopsychologie und Ökospiritualität? In der Ökopsychologie-Bewegung findet man Psychotherapeuten, Ökologen, Philosophen, Künst­ ler. Zu Beginn waren es aber die Psychotherapeu­ ten, die in ihren Praxen den Dialog eröffneten und zu ergründen versuchten, worunter ihre Patienten litten. Sie fanden heraus, dass die Patienten nicht nur unter den zwischenmenschlichen Beziehun­ gen litten, sondern auch unter den ökologischen Problemen. Die Ökopsychologie öffnet den Raum zur Erkenntnis, dass der Schmerz, der der Erde zu­ gefügt wird, auch den Menschen verletzt, und umgekehrt. Die Ökospiritualität versucht zu er­ gründen, was das spirituelle Leben mit dem öko­ logischen Engagement zu tun hat und welche Antwort die Spiritualität in Bezug auf die ökolo­ gische oder Klimakrise bereithält, in Ergänzung zur Ökopsychologie und zu politischen Mass­ nahmen und zu Veränderungen der Lebensweise. Inwiefern helfen Ihnen diese Ansätze dabei, die Welt zu begreifen? Die klimatischen Veränderungen, das sechste grosse Artensterben, der Abbau der natürlichen Ressourcen und die wachsenden Ungleichheiten zeigen, dass wir nicht nur eine «Krise» erleben, sondern ein umfassendes Umkippen des Systems. Es reicht nicht mehr, Korrekturen amWirtschafts­ system vorzunehmen, das den Planeten zerstört, sondern es geht darum, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Will man diesen erreichen, muss die «äussere» Ökologie durch eine «innere» Öko­ logie ergänzt werden, konkret durch eine Öko­ climat et de l’écologie. Il est essentiel d’accueillir les émotions comme la peur, la colère, la tristesse ou l’impuissance et de faire un travail de recon­ nexion en profondeur à la nature. Ensuite, il est important de transformer ces énergies pour nour­ rir son engagement et pouvoir agir concrètement. Dans les paroisses, il est aussi tout à fait possible d’organiser une soirée, une conférence ou des «conversations carbone» pour développer les moyens et les motivations de réduire notre impact sur le climat. D Der Soziologe und Ökotheologe Michel Maxime Egger hat das Atelier für innere Transition bei Brot für alle ins Leben gerufen. Im Wissen umden ökologischen Umbruch, der unse- ren Planeten erfasst hat, ruft er zu einem Para- digmenwechsel mithilfe von Ökospiritualität auf. Von Nathalie Ogi Was ist Ökopsychologie? Wenn man etymologisch argumentiert, könn­ te man sagen, dass Ökopsychologie das Studium der tiefgreifenden Beziehungen zwischen «Oikos», also der Erde und der Natur – im Sinne von Lebens­ raum –, auf der einen und «Psyche», also der menschlichen Seele, auf der anderen Seite ist. Wir bewegen uns hier nicht in einer dualistischen Beziehung zwischen Menschen und Umwelt, son­ dern in einer Einheit zwischen der Erde und allen Lebewesen, die sie bevölkern. In der Ökopsycho­ logie ist der Mensch nicht nur Teil der Natur, son­ dern die Natur ist auch Teil von ihm. Die Öko­ psychologen vertreten die Ansicht, der Mensch bewahre in sich – in Körper und Unterbewusst- sein – die gesamte Erinnerung der kosmischen Entwicklung, die Geschichte der Erde und des Le­ bens. Die Bewegung entstand in den 60er-Jahren in der angelsächsischen Welt und breitete sich Anfang 1990 weiter aus. Sie ist nun daran, auf die­ ser Seite des Atlantiks Fuss zu fassen. Sie umfasst auch einen praktischen und therapeutischen Aspekt und nutzt Werkzeuge, um sich mit der Na­ tur zu verbinden und sich mit ihr zu versöhnen. Was ist Ökospiritualität? Bei der Ökospiritualität steht die Suche nach der tiefgreifenden Einheit im Zentrum, allerdings mit einer konkreten spirituellen Dimension. Es gibt den Kosmos, den Menschen und eine mys­ tische Dimension, die je nach religiöser Tradition unterschiedliche Ausdrucksformen annehmen kann. Wir können diese mystische Dimension be­ nennen als das Göttliche, das Heilige, den gött­ lichen Geist oder Odem. Im christlichen Umfeld «Die gesamte ‹ horizontale › Ökologie muss vertikalisiert werden. Ziel ist es, zur Einheit zwischen Mensch, Erde und Gott zurückzufinden.» Michel Maxime Egger

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