ENSEMBLE Nr. / N° 44 - Dezember / Décembre 2019

31 ENSEMBLE 2019/44 —– Kreuz und quer F R I E D E N S A R B E I T Jaka und der Engel Indonesien war lange bekannt für ein relativ friedliches Zusammenleben zwischen Angehörigen verschiedener Religionen. Doch radikale Gruppen gewinnen an Einfluss. Zwei Leitungspersonen des interreligiösen Jugendnetzwerks Jakatarub kamen auf Ein- ladung ihrer Partnerorganisation Mission 21 im September unter anderem in die reformierte Kirchgemeinde Biel. Von Mathias Tanner* Der Name Jakatarub beziehe sich auf eine Figur aus der Javanischen Mythologie, erklärt Theresia Yunita Tan. Sie ist Katholikin und bei Jakatarub für die Gestaltung der Kampagnen verantwortlich. Ein Junge namens Jaka lebte im Dorf Tarub auf Java. Eines Tages sah Jaka in einem nahe gelege­ nen Teich sieben Engel in Frauengestalt beim Ba­ den. Jaka und einer der Engel verliebten sich, und der Engel blieb bei Jaka in Tarub. Diese Geschich­ te sei ein Beispiel dafür, wie die Angehörigen ver­ schiedener Religionen miteinander umgehen sollten, um Frieden und Harmonie in die Gesell­ schaft zu tragen, sagt Theresia Tan. Kirchenschliessungen und Ausgehverbote Ihre Organisation ist vor allem in West-Java aktiv, einem der Hotspots religiöser Intoleranz. Viele Moscheen dort würden radikale Ansichten ver­ breiten, Hass predigen und Christen die Verbrei­ tung von Irrlehren vorwerfen, sagt Gunawan Wawan. Er ist Muslim und war von 2008 bis 2018 Koordinator von Jakatarub. Es komme deswegen zur Schliessung von Kirchen, zum Verbot von neuen Kirchenbauten und auch zu Brandanschlä­ gen auf religiöse Einrichtungen. Es gebe zudem lokale Gesetze zur Diskriminierung von Frauen. So werde eine islamische Kleiderordnung propa­ giert, Frauen sei es verboten, Motorrad zu fahren, und sie hätten nach 21 Uhr Ausgehverbot. Die Islamisten unterwanderten auch Schulen und Universitäten zur Verbreitung ihres Fundamen­ talismus. Dieser zeigt sich aber auch auf der christlichen Seite. So gibt es einige evangelikale Gruppen, die in mehrheitlich muslimischen Ge­ bieten missionieren und damit Abwehrreaktio­ nen provozieren. Viele Menschen haben kaum vertiefte Kenntnis der eigenen und anderer Re­ ligionen. Dies ist mit ein Grund dafür, dass sich die Abneigung gegen Andersgläubige leicht ver­ breiten kann. Bildungs- und Medienarbeit Das Ziel von Jakatarub besteht darin, solche fun­ damentalistische Gruppen zu entkräften, Gewalt­ konflikten vorzubeugen, für Toleranz, Harmonie und die Anerkennung der ethnischen und reli­ giösen Vielfalt zu werben und damit zu einem friedlichen Zusammenleben zwischen Angehö­ rigen verschiedener Religionen beizutragen. Bei Jakatarub engagieren sich insbesondere Jugend­ liche für Jugendliche, da diese Bevölkerungs­ gruppe für Fundamentalismus besonders emp­ fänglich ist. Jakatarub baut auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene interreligiöse Netzwerke auf. Diese organisieren Veranstaltungen an Schulen und Universitäten, jährliche Jugendcamps sowie kulturelle und interreligiöse Festivals. An solchen Anlässen bietet Jakatarub unter anderem Weiter­ bildungen für Lehrpersonen sowie Schüler und Studentinnen zu den Themen Menschenrechte, Bürgerrechte, Religionen, interreligiöse Beziehun­ gen und gewaltfreie Konflikttransformation. Neben der Bildungsarbeit ist die Medienarbeit ein wichtiges Arbeitsfeld. So bietet Jakatarub Jugend­ lichen Medientrainings und organisiert mit ihnen im öffentlichen Raum und in den sozialen Medien Kampagnen für Toleranz und Pluralismus. * Fachbeauftragter Migration der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn ©zVg Theresia Yunita Tan’s Organisation ist vor allem in West-Java aktiv, einem der Hot- spots religiöser Intoleranz. L’organisation de Theresia Yunita Tan est principale- ment active à l’ouest de Java, l’un des points chauds de l’intolé- rance religieuse.

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