ENSEMBLE Nr. / N° 45 - Januar / Janvier 2020

5 ENSEMBLE 2020/45 —– Dossier rerinnen und Pfarrer zum Verbi Divini Ministerium ordiniert. Und sie hatte schon bisher die geistliche Leitung der Kirche und damit des Pfarramtes. Ein Letztes: Ob eine Kirche wirklich Kirche ist, hängt nicht davon ab, wie ihr Verhältnis zum Staat organisiert ist. Die Kirche hat, seit es sie gibt, unter verschiedensten gesellschaftlichen Bedingungen ihren Dienst wahrgenommen. Ob eine Kirche wirk­ lich Kirche ist, entscheidet sich daran, ob sie ihren Auftrag erfüllt. Ob sie also, wie es die Vision Kir­ che  21 im ersten Leitsatz ausdrückt, auf die Bibel hört und nach den Menschen fragt. Über das Kir­ chesein der Kirche entscheidet, ob sie sich am biblischen Zeugnis orientiert und auf dieser Basis für die Menschen da ist. Für die Menschen einstehen Die reformierte Landeskirche hat schon früh sig­ nalisiert, dass sie sich auch nach einer Neuord­ nung des Verhältnisses zum Staat den Menschen der gesamten Gesellschaft verpflichtet sieht. Der Rückzug in einen religiösen Schutzraum kommt für sie nicht in Frage. Sie versteht sich als Kirche, die allen Menschen die erfreuliche Botschaft in Wort und Tat zu kommunizieren hat. Der Auftrag der Kirche lautet nicht, sich selbst zu erhalten. Wie bisher will die reformierte Landeskirche eine verlässliche Partnerin des Staates sein. Sie hat sich in ihrer Vision auch den Leitsatz «solidarisch mit den Leidenden» gegeben. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe weiss sie sich mit dem Staat ge­ meinsam in der Pflicht. Es kann aber auch sein, dass sie als Anwältin der Bedürftigen gegenüber dem Staat kritisch Stellung nimmt. Dies gehört zu einer verantwortlichen Partnerschaft, und es hat im Kanton Bern eine lange Tradition. 1852, an der ersten Synode unter dem neuen Kirchengesetz, bekräftigte Kirchendirektor und Regierungspräsi­ dent Eduard Blösch, dass die Berner Regierung die freie Christuspredigt zu schützen gedenke, auch dann, wenn sie selbst kritisiert werde. Wirklich wichtige Veränderungen Tiefgreifender als die strukturellen Veränderun­ gen im Verhältnis zum Staat wird in den kom­ menden Jahren der gesellschaftliche Wandel unsere Kirche prägen. Die Gesellschaft wird sich weiter pluralisieren, neben Angehörigen ver­ schiedener Religionen leben auch immer mehr Menschen ohne religiöses Bekenntnis unter uns. Und selbst bei Religiösen verliert die Bedeutung institutioneller Religionsgemeinschaften an Be­ deutung. All das wird sich weiter auswirken auf die Gestalt der Kirchen, und nicht zuletzt auf ihre Finanzen. Und weiter: Das Internet verändert fundamental die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren, was für eine Kirche, die die Gemeinschaft als zentrale Dimension ihres Wirkens sieht, starke Konsequenzen haben muss. Werte wie Demokratie oder Menschenrechte, die wir als endgültig gesichert betrachtet haben, werden zunehmend in Frage gestellt. Die Klima­ krise kann sich in den kommenden Jahren als eine Problematik erweisen, die die Nationen weltweit in vorher nicht da gewesener Weise herausfor­ dert. Auch dies kann die Kirchen nicht unberührt lassen. Wer behauptet, in dieser komplexen Situation über griffige Lösungen zu verfügen, dem muss man sicher misstrauen. Die biblische Botschaft Bei der Entflechtung von Kirche und Staat kann von einem Ereignis von kirchengeschicht­ licher Tragweite gesprochen werden. La séparation entre l’Eglise et l’Etat est un événe- ment historique pour l’Eglise. ©Michael Stahl

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