ENSEMBLE Nr. / N° 45 - Januar / Janvier 2020

6 Dossier —– ENSEMBLE 2020/45 besagt auch nicht, dass alles schon nicht so schlimm herauskommen wird. Im Gegenteil, die Propheten haben immer wieder in schmerzlicher Klarheit Krisen und Missstände benannt. Aber sie haben auch die Richtung gewiesen, wo in bedroh­ lichen Zeiten Orientierung zu finden ist, nämlich im Fragen nach Gottes Willen für unsere Gegen­ wart. Vision Kirche 21 – Ausdruck von Zuversicht Die Kirchen nicht nur im Kanton Bern stehen vor grossen Fragen. Es sind nun schon über zwei Jah­ re, dass die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solo­ thurn sich nach einem gemeinsamen Prozess eine Vision mit sieben Leitsätzen gegeben haben. Ge­ rade vor den grossen Fragen kann und soll diese Vision sich bewähren. «Von Gott bewegt» erinnert uns daran, dass wir auch vor den grossen Fragen nicht allein ste­ hen. Und dass Gott uns vorangeht in eine Zukunft, die uns vielleicht voller Ungewissheit zu sein scheint. Gott nimmt uns mit auf seinen Weg, er gibt uns den Mut, je an unserem Ort mitzuwirken, dass immer mehr Menschen an seinem Frieden und an seiner Gerechtigkeit Anteil bekommen. «Den Menschen verpflichtet»: Die Richtung, wohin Gott uns mitnehmen will, ist klar – hin zum Wohl für immer mehr Menschen, zum Wohl für seine gesamte Schöpfung. Ein grosser Auftrag, aber auch einer, für den man sich begeistern kann. Man könnte alle Leitsätze zur Vision in dieser Weise durchbuchstabieren. Alle bringen sie zum Aus­ druck, was es heissen kann, als Mensch von heute in unserer Gesellschaft in der Spur der christlichen Botschaft unterwegs zu sein. Die Stärke der Vision besteht auch darin, dass es nicht schöne Sätze sind, die ein Einzelner sich ausgedacht hat. Sondern die Quintessenz eines langen, intensiven Nachdenkens in unserer Kirche. Die Vielfalt in den Leitsätzen ist die Vielfalt unse­ rer Kirche, ihre inneren Spannungen spiegeln die Spannungen, in denen sie lebt. Und die Kraft, wel­ che diese Sätze ausstrahlen, ist die Kraft dieser Kirche. Es ist ein starkes Zeichen, dass der Prozess zu diesen Sätzen parallel zum politischen Weg zur Neuordnung der Beziehung von Kirche und Staat verlaufen ist. Die Kirche hat damit gezeigt, dass ihre Innovation nicht primär von aussen kommt. Sondern dass sie entschlossen ist, sich angesichts des Neuen auf ihre Grundlagen zu besinnen. Und von dort her die nötige Klarheit zu erwarten für das, was kommt. Eine Kirche, die sich eine der­ artige Vision gibt – oder sie gefunden hat –, eine solche Kirche hat Grund, zuversichtlich zu sein. Feiern – und den Auftrag bekräftigen Der Übergang der Pfarrdienstverhältnisse vom Staat an die Kirche ist ein wichtiges Ereignis, und das soll man auch feiern. Der Staat lud zu seiner Feier am 16. Dezember, die reformierte Kirche be­ geht den Neuanfang mit einem öffentlichen Got­ tesdienst am 6. Januar im Münster. Der Titel des Gottesdienstes unterstreicht, wo­ rum es in erster Linie gehen soll: «Gemeinsam aufbrechen, nach den Menschen fragen». Es geht darum, neu den Auftrag der Kirche zu hören und zu bekräftigen. Also gemäss dem bekannten Satz aus der Kirchenverfassung, «allem Volk in Kirche und Welt die Frohe Botschaft von Jesus Christus zu verkündigen» (Art. 2). Und dies gemeinsam, Im Haus der Kirche laufen nun alle Fäden zusammen. Tous les fils se rejoignent à présent dans la Maison de l’Eglise. ©Michael Stahl

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