ENSEMBLE Nr. / N° 46 - März / Mars 2020

22 Dossier —– ENSEMBLE 2020/46 Das Zentrum Schönberg hat im Auftrag des Kantons Bern während zwei Jahren Ge- meinden beim Aufbau von «Caring Commu- nities» unterstützt. Ende 2019 wurde das Pilotprojekt aus finanziellen Gründen vorzeitig beendet. Die Sorgenetzwerke in den Gemeinden entwickeln sich jedoch weiter. Von Olivier Schmid «Die Generation der Babyboomer wird älter. Viele pflegebedürftige Menschen wollen zu Hause leben. Bald können die Institutionen die Betreu­ ung nicht mehr allein abdecken. Es braucht die Einbindung der Zivilgesellschaft», sagt Barbara Steffen-Bürgi, Beauftragte für Sorgenetzwerke beim Wissenszentrum des Pflege- und Tages­ zentrums Schönberg. An der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis, entwickelt das Wissenszentrum im Auftrag der Berner Gesundheits- und Fürsorgedirektion innovative Projekte in den Bereichen Palliative Care und Demenz. Gemeinsam mit Public Health Services, einer Beratungsfirma für Gesundheits­ förderung, lancierte das Zentrum Schönberg das Projekt «Caring Communities», um durch das ver­ stärkte Zusammenspiel von Politik, Institutionen und Zivilgesellschaft sorgende Gemeinschaften in den Regionen Oberaargau Ost, Langnau und Jegenstorf zu stärken. «Eine zentrale Vorausset­ zung für die Zusammenarbeit mit diesen Regionen war die Unterstützung der Gemeinde. Ohne die Politik geht es nicht», sagt Steffen-Bürgi, die das Projekt leitete. Die Generationen im Blick So auch in der Region Oberaargau Ost, wo die Stadt Langenthal und die elf weiteren Gemeinden gemeinsam mit Gesundheits- und Sozialorganisa­ tionen sowie Vertretern aus der Zivilbevölkerung ein Altersleitbild erarbeitet hatten, das unter an­ derem den Aufbau von Caring Communities vor­ sah. «Wir halfen ihnen, das Leitbild umzusetzen und die Zusammenarbeit zwischen den verschie­ denen Akteuren zu stärken», sagt Steffen-Bürgi. «Ausgangspunkt waren die bestehenden und funktionierenden Sorgestrukturen. Diese haben wir gefördert und miteinander vernetzt», sagt Steffen-Bürgi. Ein wichtiger Punkt beim Aufbau von sorgen­ den Gemeinschaften sei auch die zielgruppenüber­ greifende Zusammenarbeit. So spannte etwa die Kinder- und Jugendfachstelle ToKJO mit Pro Senec­ tute Emmental-Oberaargau zusammen. Gemein­ sam stellten sie das Projekt «Rendez-vous» auf die Beine: ein Treffpunkt für Jugendliche und ältere Menschen, um die Beziehungen über die Genera­ tionen hinweg zu stärken. «Eine sorgende Gemein­ schaft kann nur funktionieren, wenn sie alle Ge­ nerationen im Blick hat», sagt Steffen-Bürgi. Kooperation statt Konkurrenz Zentrale Akteure beim Aufbau von Sorgestruktu­ ren seien auch die Kirchgemeinden. «Den Kirch­ gemeinden war immer klar, worum es bei Caring Communities geht. Sie haben sich schliesslich seit jeher um hilfsbedürftige Menschen gekümmert.» Aus diesem Grund hätten einige das Projekt zu­ nächst aber ein wenig als Konkurrenz angesehen. Doch auch andere Dienstleister wie Pflegeheime oder die Spitex seien sich eine breite Zusammen­ arbeit über die Institutionsgrenzen hinweg noch zu wenig gewohnt. «Die Wirtschaft funktioniert halt noch immer nach dem Konkurrenzprinzip», moniert Steffen-Bürgi. «Es geht nun für alle da­ rum, Teil einer breiten Kooperation zu werden.» Eine wichtige Aufgabe der Kirche sieht Steffen- Bürgi in ihrer Rolle als Vermittlerin. Die Kirche sei dafür prädestiniert, aufzeigen, dass es sich bei sorgenden Gemeinschaften um ein Tauschge­ schäft handelt, bei dem Freiwillige zwar nicht be­ zahlt, aber anderweitig bereichert werden: «Men­ schen zu begleiten, die einen Angehörigen verloren haben, ermöglicht es beispielsweise, sich mit existenziellen Themen auseinandersetzen, die alle betreffen, in unserer Gesellschaft aber ein Tabu sind.» Auch könne die Kirche Kontakte zwischen Hilfsbedürftigen und Freiwilligen ver­ mitteln und Letzteren Möglichkeiten bieten, sich auszutauschen und das Erlebte zu verarbeiten. «Es hat mit der Würdigung einer Leistung zu tun, einfach auf eine andere Art. Mich dünkt, diese Aufgabe könnte die Kirche noch stärker wahr­ nehmen», sagt Steffen-Bürgi. Ein langwieriger Prozess Ein stärkeres Engagement hätte sich Steffen-Bürgi vom Kanton und von der Wirtschaft als Geldgeber gewünscht. Nach einer Anschubfinanzierung durch den Kanton Bern für die Konzeptphase wa­ ren das Zentrum Schönberg und die Partnerorga­ nisationen in den Gemeinden selbst für das Fund­ raising verantwortlich. Doch das Fundraising bei Stiftungen und lokalen Betrieben verlief harzig. «Obwohl viele den Handlungsbedarf erkannten, A U F B A U V O N S O R G E N E T Z W E R K E N I M K A N T O N B E R N «Ohne die Politik geht es nicht»

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