ENSEMBLE Nr. / N° 46 - März / Mars 2020

28 Fokus —– ENSEMBLE 2020/46 schwur oder die Schlacht am Morgarten, Legen­ den, wie sie alle Nationen haben, in die in diesem speziellen Fall aber auch Glaubensinhalte verwo­ ben sind. Man kann diese Geschichten nicht wört­ lich verstehen. Wir haben verschiedene Interpre­ tationsansätze studiert und so einen freien Umgang mit Glaubensinhalten gelernt. Das ist genau das, was ich gesucht habe. Ich kann das glauben, was zu mir passt. Heute lese ich die Bibel anders als früher. Hat sich auch Ihr Glaube verändert? Das ist eine gute Frage. Was glaube ich eigent­ lich? Im Kurs behandelten wir das Glaubensbe­ kenntnis. Eine Aufgabe bestand darin anzustrei­ chen, welchen Aussagen wir zustimmten. Ich kam in Verlegenheit, denn auf einmal blieb sehr wenig. Den anderen Teilnehmenden ging es genauso. Aber an die erste Aussage im Glaubensbekenntnis glaube ich: «Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde.» Und an Jesus, dass er da war und die Welt verändert hat. Mit Jesus ist eine neue Weltordnung, eine humanistischere Wirklichkeit entstanden. Nicht die Institution, sondern der Mensch steht seither im Zentrum. Und schliesslich führe ich mit dem Heiligen Geist einen regelmässigen inneren Dia­ log. Diese Art von Glauben hat der Kurs in mir wieder aufleben lassen. Fragen nach dem Glauben sind auch Fragen nach dem guten Leben. Welche Rolle kann und soll die Kirche diesbezüglich in der Gesellschaft über­ nehmen? In dieser Richtung gab es viele Denkanstösse. Ich denke an die lateinamerikanische Befreiungs­ theologie, an die feministische Theologie, an die «Religiösen Sozialisten» (Ragaz), an unsere Hal­ tung den Menschen der Dritten Welt gegenüber, an die «Bewahrung der Schöpfung» und daran, dass mit Jesus das «Himmelreich nahe herbeige­ kommen ist». Darum soll in Anlehnung an das im Kurs Gelernte die Kirche die entsprechenden Posi­ tionen laut und deutlich vertreten. Barth wurde in Bonn ja nicht verabschiedet und Bonhoeffer ermordet, weil sie Leisetreter waren. Nicht Geld oder Gewalt sollen die Welt regieren, sondern nach den Grundsätzen der Bergpredigt der Res­ pekt vor dem Leben und dem Nächsten. Der Kurs macht Mut, selber Position zu beziehen, sein Leben frei zu gestalten und einen selbstbestimm­ ten Glauben zu leben, nach selbst gewählten ethi­ schen Vorgaben. Das entspricht mir sehr. Theologie erleben, sich mit Fragen des Menschseins auseinandersetzen, in landes- kirchlicher Offenheit: Ueli Corrodi besucht den Evangelischen Theologiekurs seit zwei- einhalb Jahren. «Der Kurs macht Mut, einen selbstbestimmten Glauben zu leben», sagt der pensionierte Psychiater aus Hinterkappelen. Von Olivier Schmid Ueli Corrodi, warum besuchen Sie den dreijährigen Theologiekurs? Ich bin in einem sehr pietistischen und from­ men Umfeld aufgewachsen und wollte Abstand nehmen von festgefahrenen und konventionellen Lebens- und Glaubensformen. Ich war auf der Suche nach etwas Adäquaterem und Sinnvollerem, Lebensnäherem und Freiheitlicherem. Ich suchte eine Horizonterweiterung, den Blick zur Seite. Mich interessierte, wie man sich in einem freien Umfeld mit Theologie befassen und mit Glaubens­ fragen umgehen kann. Haben Sie gefunden, was Sie suchten? Ja, eindeutig. Der Umgang mit Glaubensinhal­ ten im Kurs ist undogmatisch. Er ist für mich darum sehr befreiend. Es herrscht eine heitere, lockere Atmosphäre. Ich liebe diesen Kurs und be­ suche ihn jede Woche. Was erlebten Sie als speziell bereichernd? Ich fand es sehr spannend zu realisieren, dass all diese grossartigen biblischen Geschichten, beispielsweise von Goliath über David bis zu Salomon, letztlich Legenden sind wie der Rütli­ E V A N G E L I S C H E R T H E O L O G I E K U R S Der heilsame Blick zur Seite Evangelische Theologiekurse: Jetzt anmelden! Die dreijährigen Evangelischen Theologiekurse werden im ber­ nischen Kirchengebiet regelmässig in verschiedenen Regionen durchgeführt. Sie werden von den dortigen kirchlichen Bezirken oder kirchennahen Institutionen getragen und von den Refor­ mierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn koordiniert und massgeb­ lich finanziell unterstützt. Start nächster Theologiekurs: 11. August 2020 Kursort: Campus Muristalden, Bern Kurstag: Dienstag, 17.30–20.30 Uhr Informationsabend: 29. April 2020 Anmeldung und weitere Informationen: www.refbejuso.ch > Bildungsangebote oder per E-Mail an kursadministration@refbejuso.ch

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