ENSEMBLE Nr. / N° 46 - März / Mars 2020

6 Dossier —– ENSEMBLE 2020/46 Wie sehen solche Netzwerke konkret aus? «In den zahlreichen Vorschlägen, eine Caring Com­ munity zu definieren, werden vor allem folgende Elemente betont: gleichberechtigtes Zusammen­ leben und Achtsamkeit auf den Zusammenhalt in einem Quartier oder einer Gemeinde, das Zusam­ menspiel zwischen Eigenverantwortlichkeit und geteilter Verantwortung, Anteilnahme und Parti­ zipation sowie fliessende Grenzen zwischen öf­ fentlicher und privater Sphäre», erläutert Robert Sempach, Projektleiter beim Migros-Kulturpro­ zent. Er hat das nationale «Netzwerk Caring Com­ munities Schweiz» aufgebaut, das Initiativen bei der konkreten Umsetzung von Sorgenetzwerken unterstützt. Auch im Kanton Bern werden seit ei­ nigen Jahren verschiedene quartier- und gemein­ denahe Projekte in politischen Gemeinden und Regionen unterstützt (vgl. Seite 22). Eine neue Qualität etablieren Allerdings ist Caring Community nicht ein einfach zu implementierendes Konzept. Denn es geht nicht primär darum, neue Versorgungsangebote zu schaffen und Hilfenetzwerke zu optimieren oder aufzubauen. Vielmehr geht es darum, in den bestehenden Sorgenetzwerken eine neue Qualität zu etablieren. In gemeinsamen und wechselseiti­ gen Lernprozessen zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen und professionell Sorgen­ den auf der anderen Seite soll diskutiert werden, wie ein gutes Leben bis zum Ende aussehen könn­ te: Es braucht Gelegenheiten, einander von exis­ tenziellen Notlagen und von Sorgen zu erzählen; es geht darum, eine Kultur der Achtsamkeit, der Teilhabe und wechselseitiger Sorge zu fördern. Hierzu gehört beispielsweise, alte Menschen und ihre Angehörigen nicht als blosse Hilfeempfänger wahrzunehmen, sondern sie mit ihrem Lebens- und Sorgewissen, mit ihrer Weisheit wahrzuneh­ men und zusammen mit ihnen nach dem guten Leben für alle zu fragen. Dazu gehört aber auch, Räume der Sorglosigkeit zu ermöglichen – zum Feiern, zum Sein. Steilvorlage für die Kirchen Das Konzept Caring Community ist geradezu eine Steilvorlage für Kirchen und Kirchgemeinden, um sich mit ihrem ureigenen Profil einzubringen. Denn Kirchgemeinden sind bereits vielfältige und vielschichtige generationenübergreifende Sorge­ netzwerke. Sie haben langjährige Erfahrung bei der Übernahme von Verantwortung für andere und leben die Solidarität mit dem fremden Nächs­ ten. Kirchgemeinden sind wichtige Multiplikato­ ren und können dazu beitragen, dass bereits be­ stehende Sorgekreise erkannt und vertieft werden. Dabei müssen sie das Wagnis der «Nächsten- und Fernstenliebe» eingehen, wie sie der österreichi­ sche Soziologe Klaus Wegleitner als zentrale Qua­ lität von Sorgebeziehungen beschreibt. Bindun­ gen zu den Nächsten und der Brückenschlag zu den Fernsten ermöglichen es, Sorgenetze – auch eigene – zu erweitern und zu stärken. Der Leitsatz, den sich die Reformierten Kirchen Bern-Jura-So­ lothurn in der Vision 21 gegeben haben, nimmt denn auch auf, was gleichsam Programm der Ca­ Neue Wege der Sorge: Tiere wirken manchmal besser als jede Medizin. De nouvelles façons de soigner: les animaux sont parfois plus efficaces que les médicaments. ©Keystone / John Cole

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