ENSEMBLE Nr. / N° 47 - April / Avril 2020

25 ENSEMBLE 2020/47 —– Fokus Mitte einer Gesellschaft verbanne. Anzustreben wären Normen und Konventionen, die es, in An­ lehnung an die Queer-Theoretikerin Judith Butler, allen Menschen erlaubten, zu atmen, zu begehren, zu lieben und zu leben. Gemäss Wirth verbindet die Queer-Theorie und bestimmte Varianten der reformierten Theologie ein ethisches Interesse an einem erfüllten Leben marginalisierter Personen. Wenn bestehende Gewissheiten und Praktiken keinen Beitrag mehr leisten zu einem erfüllten Leben, dann, so Wirth, «steht für die reformierte Theologie das Reformieren an». F Le mariage pour tous interpelle. Théolo­ giquement, le sujet déchaîne les passions. Sur le terrain, il soulève des questions qui au­ ront des répercussions très concrètes sur les pratiques pastorales. C’est en ces termes qu’à l’occasion de son colloque annuel, le think tank Théologie de la Société pastorale Berne-Jura- ­ Soleure a invité les ministres à rassembler leurs «compétences théologiques au service de l’évo­ lution de notre Eglise». Par Gerlind Martin Une initiative parlementaire pendante au Conseil national demande le mariage pour tous; les Eglises aussi en débattent depuis longtemps, parfois de manière critique. La question a occupé les 50 par­ ticipantes et participants au 5 e colloque théolo­ gique de la Société pastorale réformée évangé­ lique Berne-Jura-Soleure. Le respect mutuel, dont beaucoup estiment qu’il doit présider aux discus­ sions internes à l’Eglise, était palpable, tout autant que l’effort pour «prendre la Bible au mot mais à plusieurs niveaux». Un pasteur présent, qui défend une position critique à l’égard du mariage pour tous, a noté qu’il était venu sans aucune attente ni quête de réponses définitives, mais qu’il repar­ tait satisfait de l’esprit d’ouverture qui avait régné durant les échanges. «Libérez le mariage!» Celles et ceux qui ont déjà béni des couples d’hommes et des couples de femmes ont vécu des expériences positives: c’est ce qui est ressorti dans l’un des sept groupes de discussion. Une pasteure a souligné que sa communauté s’était montrée plus ouverte qu’elle ne l’aurait imaginé. Elle a in­ vité l’assemblée à faire confiance aux paroisses et à promouvoir la bénédiction des couples de même sexe, tout en prenant au sérieux les sceptiques. Le concept de mariage a été mis en débat. Cer­ taines voix estiment que la bénédiction ne peut être prononcée que sur l’union d’un homme et Begründung für einen «inklusiven Zugang» zur Ehe. «Reformiert» und «queer» versteht Wirth glei­ chermassen als Identitätskritik. Reformierte stan­ den ebenso ausserhalb des Gewohnten, quer zum Tradierten, wie gleichgeschlechtliche, queere Paa­ re mit ihrer Forderung nach gleichen Rechten in Kirche und Gesellschaft. «Queer» beschreibe sozi­ ale und körperliche Praxen im Kontext von Ge­ schlechtlichkeit und Sexualität, die von einer vor­ gegebenen Identifizierung abweichen. Normen und Identifizierungen seien jedoch über die Jahr­ hunderte bis heute dynamisch und veränderlich. Abzulesen sei dies an der Tradition der reformier­ ten Theologie ebenso wie am Beispiel des Ehebe­ griffs oder des Geschlechterverständnisses. Refor­ mierte Theologie sei nicht statisch, sie habe den Anspruch, sich stetig zu erneuern und zu wandeln. Dabei leugne sie vorgegebene Ordnungen nicht, sie würden, so Wirth, «als veränderbar durchschaut und aufgegeben, wenn sie schädlich werden». Seine Kritik an eng gefassten Identitätsbegrif­ fen begründet Wirth ethisch, denn weder Perso­ nen mitsamt ihrer Geschlechtlichkeit und Sexua­ lität noch Theologien mitsamt ihren Ansichten über Geschlechtlichkeit und Sexualität seien je abgeschlossen. Bedeutungsvoll sei diese Kritik an Identitätsbereichen, die ein besonderes Potenzial haben, Leiden zu verursachen. Dazu gehöre die Privilegierung der Ehe zwischen Mann und Frau, weil sie Menschen mit einem anderen Körper, ei­ ner anderen Körperpraxis oder einem anderen Körperempfinden aus der kulturell geschaffenen Umsetzungsprozess Trauung für alle Bevor die Trauung für alle eingeführt werden kann, muss die Kirchenordnung revidiert wer­ den. Wie die Trauung für alle in den Kirchge­ meinden umgesetzt werden kann, soll an Ge­ sprächsveranstaltungen in Kirchgemeinden, Bezirken und Pfarrvereinen erörtert werden. Der Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern- Jura-Solothurn sieht folgenden Prozess vor: • Gesprächssynode «Trauung für alle»: 20. März 2021 • 1. Lesung Teilrevision Kirchenordnung: Wintersynode 2021 • 2. Lesung Teilrevision Kirchenordnung: Sommersynode 2022 Trauungen für alle sind frühestens in der zwei­ ten Hälfte 2022 möglich. Voraussetzung bleibt die staatliche Anerkennung der Ehe für alle, die zivilrechtliche Eheschliessung. Eine parlamen­ tarische Initiative, wonach es dafür einzig einer Gesetzes- und keiner Verfassungsänderung be­ darf, ist im Nationalrat hängig. Das Referendum ist angekündigt.

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