ENSEMBLE Nr. / N° 47 - April / Avril 2020
6 Dossier —– ENSEMBLE 2020/47 Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz und die Römisch-Katholische Zentralkonferenz sind seit 2018 Mitträger des Polit-Forums. Warum hat die Stadt Bern die Landeskirchen ins Boot geholt? Alec von Graffenried: Die Landeskirchen sind auf das Polit-Forum zugekommen, weil sie sich ver stärkt an gesellschaftspolitischen Diskussionen beteiligen wollten. Wir fanden das sehr interes sant, weil die Kirchen eine andere Sichtweise ein bringen und auch eine gesamtschweizerische Position einnehmen, während das Polit-Forum momentan noch eher regional ausgerichtet ist. Thomas Göttin: Das Polit-Forum mit seinem Standort in Bern und seiner Nähe zur nationalen Politik will schon auch eine nationale Ausstrah lung haben. Und das fordern die Kirchen auch ein. In den letzten zwei Jahren haben wir versucht, dies so weit wie möglich einzulösen. In seiner 40-jährigen Geschichte hat das Polit-Forum als Dialogplattform der Demokratie schon ähnliche Initiativen im Ausland inspiriert. Michael Braunschweig: Der grosse Wert des Polit-Forums ist ja, dass es die Kultur der politi schen Auseinandersetzung pflegt – etwas, das immer wichtiger wird in einer zunehmend frag mentierten und digitalisierten Gesellschaft. Es ist etwas ganz anderes, ob man sich gegenübersitzt oder über digitale Kanäle miteinander kommuni ziert. Dass der persönliche, nicht mediatisierte Austausch jedoch nur bedingt eine nationale Aus strahlungskraft hat, ist für das Polit-Forum aber eine Herausforderung. Judith Pörksen Roder: Den persönlichen Dialog und die Möglichkeit, sich einzubringen und Fra gen zu stellen, erachte ich auch als eine Stärke des Polit-Forums. Und dass es kein Schaukampf wie in der «Arena» ist und einander zugehört wird. So ist politische Bildung möglich. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Politik im Rahmen des Polit-Forums Bern? Michael Braunschweig: Die Zusammenarbeit ist hervorragend und gegenseitig befruchtend. Die Fachstelle «Reformierte im Dialog» bündelt beim Polit-Forum die Interessen der kirchlichen Träger und nimmt im Dialog mit der Politik eine Vermitt lerrolle ein. Die Kooperation beim Polit-Forum ist für die Kirchen eine Art Gradmesser, wie sie sich in einer multikulturellen Gesellschaft einbringen, die eigenständige Meinungsbildung fördern, die politische Partizipation unterstützen und in die sem Sinne zu einer inklusiven Gesellschaft beitra gen können. Das ist der Grundgedanke kirchlichen Wirkens in der Gesellschaft. Thomas Göttin: Ich schätze den Austausch auch sehr – nicht nur darüber, ob und wann das Polit- Forum ein bestimmtes Thema aufgreifen soll, sondern auch darüber, welche Haltungen es in der Bevölkerung zu bestimmten Themen über haupt gibt und wie das Polit-Forum diese Themen zurückspiegeln kann. Es fliessen immer wieder Inputs der Kirchen in unser Programm ein – ge rade auch Inputs zu aktuellen ethischen Fragen. Michael Braunschweig: Ein konkretes Beispiel wäre etwa die Podiumsdiskussion «Fürs Helfen ver urteilt», zu der uns die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz und die Römisch-Katholische Zen tralkonferenz angeregt hatten. An der Podiumsdis kussion ging es anlässlich einer parlamentarischen Initiative um das Thema «Kriminalisierung der Michael Braunschweig: «Man kann nicht ernsthaft religiös sein, ohne politisch zu sein.» Judith Pörksen Roder: «Es ist wichtig, dass man auch Andersdenkenden zuhört.» ©Susanne Goldschmid Photography ©Susanne Goldschmid Photography
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