ENSEMBLE Nr. / N° 48 - Mai / Mai 2020

22 Fokus —– ENSEMBLE 2020/48 nau dies immer wieder zu fordern. Es darf nicht sein, dass überfüllte Flüchtlingslager in Griechen­ land und im Norden Syriens zum Normalfall wer­ den. Es braucht sichere Fluchtwege und den Zu­ gang zu fairen Asylverfahren für alle. Die europäischen Staaten müssen erkennen, dass eine Migrationspolitik nur dann eine positi­ ve Wirkung sowohl für die Geflüchteten wie auch für die Aufnahmeländer hat, wenn sie langfristig gedacht und vor allem bewusst gestaltet wird. Denn eine staatliche Orientierungslosigkeit und Überforderung überträgt sich auf die Stimmung in der Bevölkerung, die dann nur noch abweisen­ der auf Geflüchtete reagiert – ein Teufelskreis. Eine lösungsorientierte Politik ist mittelfristig zwar nicht der günstigste Weg, aber der einzig richtige, um der Situation langfristig gerecht zu werden. Eine gut gemeinte «Pflästerli-Politik» Eine menschlichere Behördenpraxis bleibt aller­ dings eine gut gemeinte «Pflästerli-Politik», so­ lange der Staat gleichzeitig genau jene Push-­ Faktoren befeuert, die Menschen zum Verlassen ihrer Heimatländer bewegen. Migrationspolitik ist auch Aussen- und Handelspolitik. Exporte von Kriegsmaterial in Bürgerkriegsländer mit der Auf­ rechterhaltung der Schweizer Wirtschaftsproduk­ tivität zu legitimieren, ist reiner Hohn. Und dass Schweizer Unternehmen Menschen im globalen Süden ohne Konsequenzen ihrer Lebensgrundlage berauben können, indem sie Böden vergiften, die Luft verpesten oder Bauern von ihren Ländereien vertreiben, ist inakzeptabel. Wie also könnte die Welt zu einem gerechteren und lebenswerteren Ort für alle werden? Es sind insbesondere strukturelle Lösungen nötig: Dazu gehören die Bekämpfung der Armut und des Be­ völkerungswachstums, ein entschlossener, inter­ national getragener Kampf gegen den Klimawan­ del und die Förderung der politischen Stabilität in verschiedensten Ländern. Die gegenwärtige Abweisungspolitik europäischer Staaten ist aller­ dings eher der verzweifelte Versuch, mit jenen Menschen, die hier sind, möglichst kosteneffizient umzugehen, und all jene abzuschrecken, die mög­ licherweise Schutz benötigen. Aber auch jede und jeder Einzelne kann auf verschiedenste Weise dazu beitragen, die Welt im Kleinen positiver zu gestalten. Die Handlungs­ optionen sind vielfältig – eine erfreuliche Tatsa­ che angesichts der schwierigen weltpolitischen Lage. schen Südgrenzen, ohne angehört zu werden, auf brutalste Weise an einem Grenzübertritt gehin­ dert oder ganz bewusst in maroden Schiffen auf dem Mittelmeer alleingelassen. Die EU spricht Gelder für die Grenzsicherung, anstatt sich um die Nöte der Menschen zu kümmern. Auch wenn die politische Grosswetterlage eine faire Vertei­ lung der Geflüchteten auf die europäischen Län­ der im Moment kaum zulässt, ist es wichtig, ge­ So können Sie helfen! Spenden: Menschen in Flüchtlingslagern fehlt es an allem. Die Situation der vor Ort tätigen Hilfsorganisationen ändert sich allerdings laufend; rechtsextreme Gruppen attackieren teilwei­ se deren Infrastruktur. Recherchieren Sie zum Zeitpunkt einer Spende, wer vor Ort aktiv ist. Politische Initiativen mittragen: Voraussichtlich diesen Herbst stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungsinitiative ab. Schweizer Unternehmen sollen auch international Umwelt­ standards und Menschenrechte einhalten müssen und für Verstösse haftbar gemacht werden können. Das Volksbegehren wird von rund 120 zivilgesellschaftlichen Organisationen getragen. Schliessen auch Sie sich einem der rund 300 lokalen Komitees für die Initiative an: www.konzern-initiative.ch/ lokalkomitees Lebensstil hinterfragen: Unser Lebensstil und Wohlstand be­ ruhen massgeblich auf dem Elend anderer. Kleider etwa sind nur deshalb so günstig zu kaufen, weil Menschen sie fast gratis produzieren. Und wir leisten uns immer mehr davon. Wächst der Konsum, werden auch Klima und Umwelt stärker belastet. Besinnen wir uns also darauf, was wir wirklich brauchen. Sich für Betroffene einsetzen: Geflüchtete in der Schweiz brau­ chen unsere Unterstützung. Neben der direkten Unterstützung, etwa in Form eines Sprachtandems, ist es unerlässlich, dass die Kirchen und wir als Individuen uns für jene Menschen einsetzen, die weder gehört noch gesehen werden – und beharrlich auf politische Lösungen drängen, die den Geflüchteten Schutz bieten. Weitere Handlungsoptionen: «OeME-Migrationsarbeit. Ein Hand­ buch für Kirchgemeinden». Bestellungen und Download: www.refbejuso.ch/publikationen/oeme-migration Unterkühlte Flüchtlinge nach ihrer Überfahrt von der Türkei nach Lesbos. Réfugiés en hypothermie après leur traversée de la Turquie à Lesbos. ©Keystone /Laif /Murat Tueremis

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