ENSEMBLE Nr. / N° 48 - Mai / Mai 2020

31 ENSEMBLE 2020/48 —– Fokus nationsstelle «Palliative Care» eingerichtet, unter der Leitung von Pascal Mösli, Pfarrer und Verant­ wortlicher Spezialseelsorge. Diese Stelle engagiert sich im Verein «Palliativnetzwerk palliative bern», einer Sektion der Schweizerischen Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung. Zusam­ men mit Netzwerkpartnerinnen veranstaltet Mös­ li unter anderem Vortragsreihen und Diskussions­ podien: Dabei berichteten die Vertreterinnen und Vertreter der Palliative-Care-Organisationen und von Exit, dass sie Kranke vermehrt gemeinsam be­ gleiten – eine bemerkenswerte Entwicklung. Leiden im und am Alter An der Tagung in Zürich nun fasste Exit-Präsiden­ tin Marion Schafroth die Beschlüsse zusammen: «Keine Freitodbegleitung von kerngesunden be­ tagten Menschen.» Zudem müsse das subjektive Leiden im und am Alter aufgrund von Krankhei­ ten, Funktionsminderungen oder abnehmenden Sinnesleistungen weiterhin ärztlich dokumentiert werden und es werde auch in den nächsten Jahren keine Forderung nach Abschaffung der Rezept­ pflicht für Natrium-Pentobarbital erhoben. Kurz- und mittelfristig wolle sich Exit auf Sensibilisie­ rung und Information der Ärzteschaft konzen- trieren. Die Vielfalt der Fragen zum Altersfreitod mach­ ten die Referenten aus den Bereichen Recht, Ethik, Gerontologie, Geriatrie und Politik, aus der Pflege­ heim- und Spitalpraxis sowie der Freitodbeglei­ tung deutlich. Daniel Häring, Lehrbeauftragter für Strafrecht an der Universität Bern, stellte klar: Alter, Krankheit und Funktionsbeeinträchtigun­ gen seien keine relevanten Kriterien, weder auf Verfassungs- noch auf Strafrechtsebene. Vielmehr sei es ein Grundrecht von urteilsfähigen Personen, über die Art und den Zeitpunkt des eigenen Le­ bensendes zu entscheiden. Das Strafgesetzbuch verlange Urteilsfähigkeit und Tatherrschaft der Sterbewilligen. Häring betonte die Rezeptpflicht für das Sterbemittel NaP und die «anerkannten gesetzlichen Berufsregeln» für Ärztinnen und Ärz­ te bei dessen Verschreibung: Prüfung von Gesund­ heit und Urteilsfähigkeit der sterbewilligen Person sowie ihres Sterbewunsches. Klaus Peter Rippe, Professor für praktische Philosophie der pädagogischen Hochschule Karls­ ruhe, versteht die Exit-Mitglieder als Solidar­ gemeinschaft mit gemeinsamer Werthaltung bezüglich der Einforderung eines Rechts auf Selbstbestimmung. Ein während einer Leidenszeit ausgesprochener Sterbewunsch erachtet der Ethi­ ker nicht als gültiges Kriterium. Erforderlich sei vielmehr die wohlüberlegte, reflektierte und in­ formierte Entscheidung, die sich in einem dauer­ haften Willen manifestiere, Suizid zu begehen. Das Kriterium «schwerstes, unerträgliches Leid» Mobile Palliativdienste Anfang März hat die Kantonale Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion mitgeteilt, dass sie den vom «Palliativnetzwerk palliative bern» seit längerem geforderten Ausbau der Palliative-Care-Angebote mit mobilen Palliativ­ diensten (MPD) starte: Regionale interprofes­ sionelle und auf Palliative Care spezialisierte Teams sollen die Grundversorgerinnen und -versorger bei der Pflege und Betreuung von Schwerkranken zu Hause unterstützen. Mit dem dreijährigen Modellversuch will der Kanton die Grundlage schaffen für den Entscheid über eine allfällige reguläre und flächendeckende Ein­ führung von MPD. beziehe sich vorwiegend auf das zu erwartende Leid. Suizidbeihilfe ist gemäss Rippe dann zu­ lässig, «wenn eine Person, für die keine erfolgver­ sprechenden Besserungsmöglichkeiten bestehen, mit Blick auf künftiges schweres Leid reflektiert zur Entscheidung kommt, Suizid zu begehen». Auch wenn Alter nicht mit Leid verbunden sein müsse – Alterungsprozesse und deren Folgen könnten eine Person in eine Situation bringen, in der keine erfolgversprechenden Verbesserungs­ möglichkeiten bestehen und weiteres Leid zu er­ warten sei. Während in früheren Lebensphasen bei Krisen auf neue Projekte und neu erwachen­ den Lebensmut gesetzt werden könne, sei der Ver­ weis auf eine bessere Zukunft bei hochbetagten Menschen «fast zynisch». So gesehen könne das Lebensalter durchaus relevant sein für das Recht auf Selbstbestimmung und Suizidhilfe. Auch den Einbezug von Arztpersonen hält der Ethiker für sinnvoll, ja notwendig. Ihr medizini­ sches Wissen sei unabdingbar, nicht nur zur Be­ stimmung der Urteilsfähigkeit der sterbewilligen Person, sondern auch für die Prognose der alters­ bedingten physiologischen Veränderungen und bezüglich Therapieoptionen. Marion Schafroth: «Keine Freitod­ begleitung von kerngesunden be- tagten Menschen.» Marion Schafroth: «Pas de suicide accompagné pour des personnes âgées et en bonne santé.» ©Keystone /Manuel Lopez

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=