ENSEMBLE Nr. / N° 48 - Mai / Mai 2020

6 Dossier —– ENSEMBLE 2020/48 gut wiedergeben, ist die Abkehr von der Politik der billigen Zentralressourcen. Sie ist ein wir­ kungsmächtiger Treiber einer ökologisch und sozial falschen Entwicklungsrichtung, die sich über viele Jahrzehnte hinweg beinahe unbemerkt herausgebildet hat und ein wirtschaftspolitisches «Gewürz» ist, das in Form von Subventionen oder Steuerbefreiungen in die verschiedensten Be­ reiche der Politik gestreut wird. Dazu gehören auch militärische Interventionen im Dienste eines gesicherten Ressourcenzugangs. Die heutige Ab­ hängigkeit von billigen Ressourcen ist für die Natur ebenso gefährlich wie für den Menschen und die Wirtschaft selbst. Die Abkehr von künstlicher Verbilligung allein garantiert jedoch noch keinen korrekten Preis. Un­ verzichtbar dafür bleibt der Einsatz geeigneter Instrumente in der Klima-, Energie- und Verkehrs­ politik. Diese Forderung ist natürlich nicht origi­ nell, aber leider aktueller denn je. In vierzig Jahren Umweltpolitik gelang es der Weltgemeinschaft nicht, auch nur einen einzigen existenziellen öko­ logischen Belastungstrend zu brechen. Und es kommen dauernd neue hinzu. Resonanz und Care Durch den im modernen Geld- und Kreditsystem angelegten systemischen Wachstumszwang scheint aber jede Motivation zu einer Ökologisie­ rung der Wirtschaft zu verfliegen. Dabei sind es vor allem die auf politische Entscheide zurückzu­ führenden Wachstumsursachen, die ins Gewicht fallen und hinterfragt werden sollten. Von der Politik der billigen Zentralressourcen war schon die Rede. Hinzu kommt eine ganze Reihe von ge­ sellschaftlichen Dienstleistungen, die rund ums Wachstum aufgebaut sind und von ihm abhängen, allen voran das Sozialversicherungssystem: ur­ sprünglich gut gemeint, heute jedoch grund­ legend zu überdenken. Und Wachstum war – ge­ rade in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg – lange ein wichtiges Mittel zur Befriedung von Ge­ sellschaften. Doch diese Funktion erodiert an- gesichts zunehmender Ungleichheiten. Ein «gutes Leben für alle» verlangt jedoch mehr als nur Reformen am marktwirtschaftlichen Set­ ting und neue Formen des Wirtschaftens. Es nimmt vielmehr sämtliche gesellschaftlichen Bereiche in den Blick. Sie alle können als Orte der Wertschöp­ fung – und Sinnstiftung – verstanden werden: Nachbarschaft, Quartier, Schule, Kirchgemeinde, «Transition Town» und vieles mehr. Das, was ein gelingendes Leben ausmacht, kann nur zu einem geringen Teil von der Wirtschaft – im herkömm­ lichen Sinne verstanden – gewährleistet werden. Doch was macht ein gutes Leben aus? Zwei Leitideen scheinen mir diesbezüglich vielverspre­ chend: Resonanz und Care. Anders als bei Markt­ beziehungen, wo sich Güter oder warenförmige Dienstleistungen zwischen die Menschen schie­ ben, zählt in der «Care Economy» die direkte per­ sönliche Beziehung. In den Wirtschaftswissen­ schaften ist die «Care Economy» inzwischen denn auch eine gut vernehmbare Stimme. Eine ausführlichere Fassung des Essays kann beim Autor bestellt werden: xmns@zhaw.ch Literatur: Hartmut Rosa (2019): Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Suhrkamp, Berlin. Uwe Schneidewind (2018): Die Grosse Transfor­ mation. Eine Einführung in die Kunst gesell­ schaftlichen Wandels. Fischer, Frankfurt am Main. ©Eirik Solheim /Unsplash Brauchen wir das alles? Welchen Nutzen stiften sie? Für wen? Avons-nous besoin de tout cela? Quels sont les avantages? Pour qui?

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