ENSEMBLE Nr. / N° 49 - Juni / Juin 2020

12 Dossier —– ENSEMBLE 2020/49 persönlich theologische Schwierigkeiten mit dem Begriff und der Praxis der Kindertaufe. Rentsch: Ich plädiere auch bei Taufen für eine Öffnung. Dafür gibt es gute theologische Gründe, denn Gemeinde entsteht, wo das Wort Gottes kom­ muniziert wird. Zur pluralen Gesellschaft gehört auch, dass wir zunehmend mit Wünschen nach Kasualien von Menschen konfrontiert sind, die nicht Mitglied der Kirche sind. Wie gehen Sie damit um? Rentsch: Ich bin eher selten mit solchen Wünschen konfrontiert, plädiere aber für eine möglichst grosse Offenheit. So versuche ich, auch Menschen, die nicht unserer Kirche angehören, das Evangelium zu vermitteln, und auch Kirchen­ fernen eine Möglichkeit zu geben, ihr Leben in den Wirkungsraum von Gott zu stellen. Ich finde es schwierig, wenn Angebote der Kirche nur Mit­ gliedern offenstehen. Cann-Guthauser: Manchmal fragen Bestatter an, ob wir Menschen beerdigen können, die aus der Kirche ausgetreten sind. Da versuche ich im Gespräch abzuklären, wieso es zum Austritt ge­ kommen ist und welchen Weg die Angehörigen und ich gehen können. Ich verstehe eine Ab­ dankung immer als Dienst an den Hinterbliebe­ nen. Solange wir es uns finanziell leisten können, grosszügig zu sein, gehört dies zu unserer Haltung als Kirche. Denn Jesus war es auch. In Deutschland laufen Debatten um die Einfüh- rung von sogenannten Kasualagenturen. Diese zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie den Bedürfnissen von Menschen, welche sich keiner Kirchgemeinde verbunden fühlen, besser entsprechen können. Wäre eine solche Agentur auch bei uns denkbar? Rentsch: Ich habe diesbezüglich keine Berüh­ rungsängste. Um denen eine Tür zu öffnen, die keinen persönlichen Kontakt zur Dorfpfarrerin haben, erachte ich eine Kasualagentur als sinn­ volle Ergänzung zum bestehenden Angebot der Kirchgemeinden. Cann-Guthauser: Wenn es noch weitere Mög­ lichkeiten gibt, Menschen zu erreichen, finde ich das grundsätzlich begrüssenswert. Eine solche Agentur könnte für Pfarrpersonen natürlich eine Entlastung sein. Es könnte auch heissen, dass Pfarrpersonen, die keine theologischen Schwierig­ keiten mit alternativen Formen von Ritualen ha­ ben, Bedürfnissen nachkommen könnten, die anderen Pfarrpersonen Gewissensbisse bereiten. In welche Richtung sollte sich die Kasualpraxis unserer Kirche entwickeln? Rentsch: Die Kasualpraxis muss sich nicht in eine bestimmte Richtung entwickeln, sondern die Kirche und ihre Praxis müssen beweglich bleiben. Cann-Guthauser: Das geheimnisvolle Wechsel­ spiel zwischen Mensch und Gott muss weiterhin Trauungen in der Natur: Ist ein «ordentlicher» Gottesdienst so noch möglich? Mariages dans la nature: un ser- vice «en bonne et due forme» est-il encore possible ainsi? © iStock.com /Pollyana Ventura

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