ENSEMBLE Nr. / N° 49 - Juni / Juin 2020

27 ENSEMBLE 2020/49 —– Kreuz und quer KREUZ UND QUER DE LONG EN LARGE Gibt es ohne Pech kein Glück? Dieser Frage gingen Jugendliche der Kirchgemeinde Wohlen bei Bern am 13. März in einem selbst gestalteten Gottesdienst nach – passend zum Mythos, der den Freitag, den 13. im Volks- glauben umgibt. Von Sabine Gfeller Die Kirchgemeinde Wohlen will religiös interes­ sierte Jugendliche in die reformierte Kirche holen. Also lässt sie diese den Gottesdienst gleich selbst gestalten. Der Jugendgottesdienst fand bereits zum zweiten Mal statt und wurde von sechs Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren organisiert. Nach einem kurzen Klavierspiel zur Eröffnung richtet sich die Aufmerksamkeit auf Joelle Münger (16). Als Doktorin van der Glück stellt sie die mög­ lichen Ursprünge des Aberglaubens rund um den Freitag, den 13. vor und liefert auch einen bibli­ schen Erklärungsansatz: «Das letzte Abendmahl nahmen Jesus und seine Jünger an einem Freitag ein. Der 13. Jünger war Judas, der in der Bibel als Verräter gilt.» Ohne Pech kein Glück Während des halbstündigen Jugendgottesdienstes wirft das Pech, gespielt von Tamara von Landten (17), eine wichtige Frage auf: «Gibt es ohne Pech kein Glück?» Das Pech fragt das personifizierte Glück, Alicia Nagel (16): «Ohne dich kein mich?» Das Gegensatzpaar kann sich schliesslich einigen: Habe eine Person nie Pech, so schätze sie auch das Glück nicht. Wie bei Yin und Yang sind auch Pech und Glück zwar einander entgegengesetzt, aber dennoch duale Kräfte, die sich ergänzen. Dann überlässt das Paar die Bühne Saskia Wulf (15), die im Programm eine moderierende Funktion über­ nimmt. Sie denkt das Konzept der Dualität zu Ende J U G E N D G O T T E S D I E N S T E Von Jungen für Junge und schlägt der Doktorin van der Glück vor, auch mal die Perspektive zu wechseln – und etwa einen Blick in den Koran zu werfen. Hinter der Idee, Jugendgottesdienste durchzu­ führen, steht Pfarrerin Karolina Huber. Sie hat sich von einer evangelischen Jugendpfarrerin aus Deutschland und dem Konzept der Beteiligungs­ kirche inspirieren lassen: «Es macht mehr Spass, wenn man selber mitgestalten kann.» Aus diesem Grund gestalten die Jugendlichen in Wohlen den Gottesdienst ganz allein – bis hin zu den Flyern. Die meisten vom Organisationsteam sind oder waren mal bei Karolina Huber in der kirchlichen Unterweisung. Für Joelle Münger war es die Freude am Organisieren, warum sie dieses Projekt gereizt hat. Und sie bringt gerne Leute zusammen. Sie glaubt an eine Kraft, die entsteht, wenn sich Menschen mit Liebe begegnen. Hinter dem Glau­ ben an Gott sieht sie das Bedürfnis, dieser Kraft einen Namen zu geben. Ein Gottesdienst für Siebenschläfer Auch Fabrice Bouquet (16) glaubt an eine höhere Macht. Und auch er findet Jugendgottesdienste sinnvoll – wenn auch aus einem anderen Grund. Die Schülerinnen und Schüler müssen ab der kirchlichen Unterweisung bis zur Konfirmation sechs Gottesdienste besuchen. Üblicherweise fin­ den diese an einem Sonntag statt. Der Jugendgot­ tesdienst kann hingegen auch am Freitagabend abgehalten werden. Das bedeutet: länger aus­ schlafen am Sonntag. Tatsächlich finden sich an diesem Abend in der Kirche denn auch einige junge Menschen ein, deren Hauptmotivation die Unterschrift ist. Ande­ re sind gekommen, um ihre Geschwister auf der Bühne zu unterstützen. Zum Schluss singen Pech und Glück, Tamara von Landten und Alicia Nagel, «Oh Happy Day» – kräftig und berührend. Und stimmen die Anwesenden zuversichtlich, dass auf die aktuelle Pandemie Glück folgt.

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