ENSEMBLE Nr. / N° 50 - Juli / Juillet 2020

25 ENSEMBLE 2020/50 —– Kreuz und quer KREUZ UND QUER DE LONG EN LARGE Viele Sans-Papiers haben wegen der Corona- krise ihre Arbeit verloren. Sie haben weder Anrecht auf Lohnentschädigung noch auf Sozialhilfe und fallen durch alle staatlichen Auffangnetze. Die Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers hilft. Von Selina Leu* Karin Jenni, Sie arbeiten bei der Beratungsstelle für Sans-Papiers. Wie hat sich die Arbeit der Be- ratungsstelle seit dem Ausbruch des Coronavirus verändert? Die Anliegen der Ratsuchenden bleiben grund­ sätzlich die gleichen: Regelung des Aufenthaltes, Gesundheitsversorgung, Einschulung, Familien­ nachzug und vieles mehr. Neu stehen zusätzlich finanzielle Nöte im Vordergrund. Woher kommen diese finanziellen Nöte? Viele Sans-Papiers mussten ihre Arbeitsstellen vorübergehend aufgeben. Betroffen sind insbe­ sondere Menschen, die in Privathaushalten, der Gastronomie oder in Gelegenheitsjobs beschäftigt waren. Die Distanzregeln des Bundes führten bei­ spielsweise dazu, dass Arbeitgebende auf ihre Reinigungsfachkraft verzichten müssen. Was bedeutet der temporäre Stellenverlust für die betroffenen Menschen? Für viele Sans-Papiers geht diese Krise an die Existenz. Alles, was sie aufgebaut haben, droht zusammenzubrechen. Die Menschen, die zu uns kommen, erzählen etwa, dass sie ihre Mieten nicht mehr bezahlen können oder dass das Geld für Le­ bensmittel fehlt. Wir wissen aber auch, dass die S A N S - P A P I E R S «Diese Krise geht an die Existenz» Ratsuchenden zuerst in ihren eigenen Netzwerken nach Unterstützung suchen. Sind aber auch diese von der Krise betroffen, erschöpfen sich die Mög­ lichkeiten schnell. Sind alle Sans-Papiers gleichermassen von der Kri- se betroffen? Abgewiesene Asylsuchende, die von der Not­ hilfe leben, spüren die finanziellen Auswirkungen der Krise sicher weniger. Alle anderen, die keiner­ lei staatliche Nothilfe haben und deshalb einer Arbeit nachgehen, sind auf die eine oder andere Art von der Krise betroffen. Je nach Arbeitsstelle konnten aber einzelne auch weiterarbeiten. Wie reagiert die Beratungsstelle für Sans-Papiers auf die veränderten Bedürfnisse? Wir haben einen Spendenaufruf gemacht und helfen, die nötigsten finanziellen Lücken zu über­ brücken. Wir übernehmen punktuell eine Miete, bezahlen eine offene Rechnung oder können ei­ * Mitarbeiterin der Fachstelle Migration bei den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Jede Woche stehen in Genf Tausende von Menschen stun­ denlang Schlange, um Lebensmittel für 20 Franken zu erhalten. Chaque semaine, des milliers de personnes font la queue pendant des heures à Genève pour obtenir un sac de vivres pour une valeur de 20 francs. ©Keystone /Martial Trezzini

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