ENSEMBLE Nr. / N° 50 - Juli / Juillet 2020

26 Kreuz und quer —– ENSEMBLE 2020/50 nen Zustupf für Lebensmittel geben. Auch die kirchliche Gassenarbeit und weitere Institutionen leisten im Moment unverzichtbare Arbeit, indem sie beispielsweise Lebensmittel abgeben. Neben der finanziellen Unterstützung beraten wir die Menschen auch zum Zugang zum Gesundheits­ system und unterstützen sie beim Abschluss einer Krankenversicherung. Ist ihre Angst vor einer Ansteckung durch das Virus gross? Eines der grössten Anliegen von Sans-Papiers ist es, für die Behörden unsichtbar zu bleiben. Bei Sans-Papiers, die keine Krankenversicherung ha­ ben, ist daher vor allem die Angst sehr gross, sich allenfalls in ärztliche Behandlung begeben zu müssen. Sie befürchten, dass dadurch ihr Aufent­ halt auffliegt. Was raten Sie Sans-Papiers, die unter Symptomen des Coronavirus leiden? Zum Glück gibt es die Gesundheitsversorgung für Sans-Papiers des Roten Kreuzes. Wenn sich je­ mand krank fühlt, raten wir ihm oder ihr als Erstes, diese telefonisch zu kontaktieren. In gewissen Ländern, etwa Portugal, wurden Sans- Papiers vorübergehend legalisiert, um ihnen den Zugang zum Gesundheitssystem zu gewährleisten. Wäre dies auch ein gangbarer Weg für die Schweiz? Wir machen uns hier keine Illusionen: Mit den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen im Parlament dürften es solche Vorstösse schwer haben. Trotz­ dem versuchen wir immer wieder, innerhalb der gesamtschweizerischen «Plattform zu den Sans- Papiers» mehrheitsfähige politische Lösungen zu erarbeiten, die zur Verbesserung der Situation von Sans-Papiers beitragen. K A N T O N A L E H I L F S V E R E I N E Eine Tradition mit Zukunft Zum Beispiel? Ehemaligen Sans-Papiers soll beispielsweise die Aufenthaltsbewilligung auch dann verlängert werden können, wenn sie aufgrund der Corona­ krise punktuell auf Sozialhilfe angewiesen sind. Oder wenn Personen versuchen, ihren Status mit­ tels Härtefallgesuch zu regularisieren, sollten sie keine negativen Auswirkungen wegen eines tem­ porären Arbeitsplatzverlusts haben. Wie wird sich die Situation langfristig für Sans- Papiers verändern? Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch schwierig abzuschätzen. Sans-Papiers kommen grundsätz­ lich mit sehr wenig Geld aus. Wenn sie aber nicht mehr an ihre früheren Arbeitsstellen zurückkeh­ ren können, beispielsweise weil der Arbeitgeber sich keine Reinigungskraft mehr leisten kann, bleibt ihre Situation prekär. Schweizweit leben und arbeiten zwischen 90 000 und 250 000 Sans-Papiers. Die Menschen arbeiten meist im Niedriglohnsektor und leis­ ten damit einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft, beispielsweise indem sie kran­ ke Menschen zu Hause pflegen oder in der Landwirtschaft tätig sind. Die Berner Bera­ tungsstelle für Sans-Papiers ist eine von schweizweit rund einem Dutzend Beratungs­ stellen. Sie berät und informiert Menschen, die in der Schweiz leben, ohne eine Aufenthalts- bewilligung zu besitzen, und setzt sich für ihre Rechte ein. Die Beratungsstelle wird von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn finanziell unterstützt. Weitere Informationen: www.sanspapiersbern.ch Die Protestantische Solidarität Bern (PSB) unterstützt seit 1843 reformierte Kirchgemein- den in der Diaspora, insbesondere im Wallis, in Deutschfreiburg und im Entlebuch. Seit 2011 unterstützt sie auch innovative Projekte im Berner Kirchengebiet. Von Olivier Schmid Die innerkirchliche Solidarität hat in der re­ formierten Kirche Tradition. Als sich im 19. Jahr­ hundert die strengen Konfessionsgrenzen locker­ ten, liessen sich immer mehr Reformierte in katholischen Kantonen nieder. Doch in der Diaspora waren die Reformierten finanziell auf sich allein gestellt. Darum entstanden in zahlrei­ chen reformierten Kantonen private Hilfsvereine, um die Ausgewanderten in der Diaspora beim Aufbau von kirchlichen Strukturen zu unterstüt­ zen. Jeder Hilfsverein hatte sein eigenes Pa­ tronatsgebiet. Der Berner Hilfsverein, die Protes­ tantische Solidarität Bern (PSB), unterstützte insbesondere die Reformierten im Oberwallis, im Sensebezirk und im Entlebuch. Die PSB finanzier­ te mit Spenden und Kollekten den Bau von

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